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1. Teil 2, Oberstufe, Teil 2 - S. 124

1901 - Kiel : Lipsius & Tischer
124 Ii. Aus der Geschichte des deutschen Vaterlandes. getrunken wurde, so mußte auf der Burg aus füufzehn großen und kleinen Stücken geschossen werden. Zuletzt, als das Friedeusfest bis in die Nacht gedauert hatte, wollten die anwesenden Kriegsherren und Generale zum Abschied noch einmal Soldaten spielen. Sie ließen sich ihre Waffen in den Saal bringen und erwählten zu Hauptleuten den schwedischen General Karl Gustav, der nachmals König von Schweden wurde, und den kaiserlichen General Piccolomini, zum Korporal aber den schwedischen Feldmarschall Wrangel; alle andern Generale, Obersten und Hauptleute wurden zu Musketieren gemacht. So marschierten die Herren um die Tafel, zogen dann in guter Ordnung auf die Burg und brannten dort vielmals die Stücke los. Bei ihrem Rückmarsch aber wurden sie von dem Herrn Oberst Kraft scharweis abgedankt und ihres Dienstes ent- lassen, weil nunmehr Friede sei. Für die Armen aber wurden an diesem Tage zwei Ochsen geschlachtet; man teilte ihnen viel Brot aus, und aus einem Löwenrachen lief sechs Stunden lang weißer und roter Wein herab. — Aus einem größeren Löwenrachen waren dreißig Jahre lang Thränen und Blut geflossen. — 2. Und wie die Herren Gesandten, so rüstete das Volk in jeder Stadt, in jedem halbzerstörten Dorfe eine Festfeier. Rührend war die Wirkung der Friedensbotschaft auf die Überreste der deutschen Nation. Den alten Land- leuten erschien der Friede als eine Rückkehr ihrer Jugend. Sie sahen die reichen Ernten ihrer Kinderzeit wiederkehren, dichtbevölkerte Dörfer, die lustigen Sonntage unter der Dorflinde, die guten Stunden, die sie mit ihren Jugend- genossen verlebt hatten. Die Jugend aber, das harte, im Kriege aufgewachsene, verwilderte Geschlecht, empfand das Nahen einer wunderbaren Zeit, die ihm vorkam wie ein Märchen aus fernem Lande — einer Zeit, wo auf jedem Acker dichte gelbe Ähren im Winde wogen, wo in jedem Stalle die Kühe brüllen, in jedem Koben junge Schweinchen liegen sollten; wo ste selbst mit zwei Pferden und lustigem Peitschenknall aufs Feld fahren konnten; wo sie nicht mehr mit Heugabeln und verrosteten Musketen den Nachzüglern im Busche auflauern, nicht mehr als Flüchtlinge in unheimlicher Waldesnacht auf den Gräbern der Erschlagenen sitzen würden; wo die Dächer des Dorfes ohne Löcher, die Höfe ohne zerfallene Scheuern sein sollten; wo man den Schrei des Wolfes nicht in jeder Winternacht vor dein Hofthore hören mußte; wo die Dorfkirche wieder Glasfenster und schöne Glocken haben würde, und wo in der Kirche ein neuer Altar mit einer seidenen Decke, einem silbernen Kruzifix und einem vergoldeten Kelche stehen sollte. Eine leidenschaftliche, schmerzliche Freude zuckte damals durch alle Seelen; selbst das wilde Soldatenvolk wurde davon ergriffen. Feierlich und mit aller Inbrunst, deren das Volk fähig war, wurde das Fest begangen. Gustav Freytag.
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