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1. Teil 2, Oberstufe, Teil 2 - S. 162

1901 - Kiel : Lipsius & Tischer
162 Ii. Aus der Geschichte des deutschen Vaterlandes. die aus dem mörderischen Treffen dorthin gebracht werden. Einzelne Kugeln, die sich verirren, oder die eine teuflische Bosheit dorthin gesendet hat, schlagen ohne Unterlaß in diese Freistätte des Schmerzes; allein wer fragt nach den wenigen, die hier zum Opfer werden, wo Tausende bereits das Opfer sind? Vor einer elenden Scheune, die eine niedere Mauer deckt, ist der Ver- bandplatz errichtet; die Ambulanzwagen, in denen Leinenzeug und die chirurgischen Instrumente liegen, stehen im Halbkreis umher und über ihnen weht die weiße Fahne mit dein Roten Kreuz. Endlos und immer wieder kommen die Träger der Verwundeten und bringen neue Arbeit auf der Schmerzensbahre; vor den Verwundeten knieen die Ärzte auf der Erde, Chloroform und Essig wird bereit gehalten; hier bringt die Hülfe Segen, und dort verlängert sie nur die Qual. Da ist ein Jammergestöhn und ein Todesgewühl; der Seufzer der Sterbenden wird vom Wehrufe derer verschlungen, die nicht sterben können. Von dem Verbandplätze ziehen die langen Wagenreihen in leisem Schritt hinweg, um die Verwundeten ins nächste Lazarett zu führen; aus dein stürmi- schen Lärm kommen wir in die stille Schwüle des Krankensaals, wo der Atem leiser geht, wo ein stummer Trost über allen Schmerzen waltet. Wir sind in einem deutschen Hospital an der französischen Grenze. Längs der Wand stehen niedere Betten, an denen der Arzt sorgsam anhält, vor denen alles steht, was Linderung und Freude bereitet. Freund und Feind liegen hier beisammen; aber sie reichen sich stumm die Hand; sie bliesen sich ver- söhnt in die Augen, wenn einer sich aufrichtet, um den Sonnenstrahl zu er- haschen, oder mit heißer Hand die Sorgen von der Stirn zu scheuchen. Tiefe, ernste Ruhe waltet in dem langen Saale; man fühlt wohl die Ergriffenheit durch diese Stille hindurch, aber sie ist doch besänftigt und gedämpft durch das Gefühl der Erlösung, durch den Gedanken, daß eine milde Hand über so vielen Schmerzen wacht. Auf manchem Lager liegt ein grüner Zweig oder eine frische Blume; die müden Hände des Kranken spielen damit, die Hoffnung der Freiheit und die Sehnsucht nach Genesung gehen leise durch seine Seele. Wir sehen es an den halbgeschlossenen Augen, an den sprechenden Mienen der Kranken, daß die Gedanken daheim sind bei Weib und Kind. Welch ein wunderbarer traum- artiger Zustand, in dem noch das Echo des Gefechtes wiederhallt und durch deu zugleich die Laute des Friedens und der Heimat tönen. — Unhörbar geht die Barmherzige Schwester hin und wieder; der Johanniter reicht Erfrischungen dar; auch die Abgesandten von Vereinen, die ihre Vorräte aus Deutschland bringen, treten heran und bringen Grüße von daheim und die Luft und die Sprache des Vaterlandes. Und wenn sie auch gänzlich fremd und unbekannt sind, es ist doch immer eine Freude, es ist ein Händedruck, den das Glück den Armen weiht. So vergeht der Tag eintönig und still unter dem Dache, das die weiße Fahne trägt; so sehen wir die edle Wirksamkeit derer, die unter dein Roten Kreuze dienen.
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