1. Bd. 2
- S. 24
1906 -
Straßburg
: Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
- Hrsg.: Gottesleben, N.
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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I. Die Jahres- und Festzeiten.
34. Z)er Kerbst.
Die Zeit des Jahres kehrt nunmehr wieder, die wir Herbst nennen.
Das glänzende Gestirn, von dem wir Licht und Wärme empfangen, scheint
sich uns je mehr und mehr zu entziehen; es verweilt jeden Tag kürzere
Zeit am Himmel, erhebt sich jedesmal weniger hoch über unsern Gesichts-
kreis. Die Nächte sangen an, kalt zu werden; abends und morgens lagern
dichte Nebel auf Dorf Mld Flur, und nur des Mittags hat die Sonne
noch ihre alte Kraft. Lange Spitinfäden fliegen in ihrem Schein in der
Lust umher und setzen sich beit Spaziergängern an die Kleider.
An Blüten bringt der Herbst außer denen, die vom Sommer her
noch übrig sind, nur wenige. Dafür lachett uns jedoch von den Zweigen
der Obstbäume ihre in allen Abwechselungen voll Rot, Gelb und Grün
prangenden Früchte entgegen. Die Rebe, welche in einzelnen Gegenden
Fenster und Türen der ländlichen Wohnungen mit ihren schön gelappten
Blättern umrankt, in andern die nach Süden gelegenen sonnigen Abhänge
der Berge schmückt, läßt ihre blauen, roten und weißen Trauben in den
vergoldeten Strahlen der Herbstsonne erglänzen. Die Wiesen kleiden sich
nach der zweiten Ernte noch einmal in ein zwar gelbliches, aber immer
noch lebhaftes Smaragdgrün. In voller Pracht erscheint der Wald. Die
Blätter der Bäume schimmern in den verschiedensten Farben, vom gelb-
lichen Grün bis zum feurigen Rot. Doch lange dauert es nicht mehr,
dann schwindet auch diese Pracht. Met der tiefer und tiefer sinkenden
Sonne, mit den länger und kälter werdenden Nächten und dem ein-
tretenden Froste nimmt das Laub eine immer falbere Farbe an, und die
Blattstiele lockern sich mehr und mehr. Zuletzt fegt der Herbststurm
sämtliche Blätter ab und zerstreut sie nach allen Himmelsgegenden. Sie
decken dann die abgefallenen Samen und geben vielen Pflänzchen Schutz
vor Winterkälte.
Auch in der Tierwelt bringt der Herbst mannigfache Veränderungen
hervor.x^)ie muntern Singvögel haben uns größtenteils verlassen, sie
sind in wärmere Länder gezogen und kommen erst im Frühlinge wieder
zurück; nur wenige bleiben in der kalten Jahreszeit bei uns.^Raupen,
Larven, Küfer und Schnecken bergen sich zwischen den gefallenen Blättern.
Von den größeren Tieren haben sich einige Höhlen gegraben, und darin
legen sie sich jetzt ein weiches Lager zurecht, um den Winter bequem zu
verschlafen, so der Igel und der Dachs. Der Hamster hat sich überdies
große Vorräte von Feldfrüchten angesammelt, damit er bei seinem Er-
wachen im Frühlinge nicht für Nahrung zu sorgen braucht. Manche Tiere,
die den Winter über munter bleiben, ziehen im Herbste ein wärmeres
Kleid an, damit auch sie nicht frieren müssen.
Die Menschen sind jetzt vollauf beschäftigt, die Gaben, welche
Garten, Feld und Wald bieten, zum Wintervorrat einzusammeln. Der