1. Bd. 2
- S. 364
1906 -
Straßburg
: Straßburger Dr. und Verl.-Anst.
- Hrsg.: Gottesleben, N.
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
364
Vi. Bilder aus der Geschichte.
goldene Insiegel am Halse hangen und jeder in der rechten Hand
eine Pergamenturkunde. Dann ritt der Kurfürst von Sachsen
herbei, des Reiches Erzmarschall, in der Hand eine silberne Metze
voll Hafer. Vor der kaiserlichen Tafel stieg er ab und ging an
sein Amt, den Fürsten an den kleinen Nebentischen, jedem nach
Gebühr, den Platz anzuweisen. Unterdes reichte der Erzkämmerer,
der Markgraf von Brandenburg, den beiden Majestäten das Hand-
wasser, indem er sich von seinem Gefolge die goldene Gießkanne
mit Becken und das köstliche Handtuch reichen ließ. Ihm folgte
der Pfalzgraf vom Rhein und stellte als des Reiches Erztruchseß
die erste goldene Schüssel auf des Kaisers Tafel. Das letzte Erz-
amt hatte der Kurfürst von Böhmen zu verrichten, des Reiches
Mundschenk. Da der Kaiser selbst böhmischer König war, kredenzte
an seiner Stelle sein Vetter, Herzog Wenzel von Luxemburg, den
Wein in goldener Schale. Zum Schluß kamen noch die beiden
Jägermeister, der Markgraf zu Meißen und der Graf zu Schwarz-
burg, mit zahllosen Jagdhunden und reichgeschmücktem Jagd-
gefolge auf den Markt geritten. Sie bliesen schmetternd ihre
Hifthörner. Ein gewaltiges Wildschwein und ein starker Hirsch
brachen vor und wurden von ihnen unter unermeßlichem Volks-
jubel erlegt und sofort verteilt.
So tafelte damals auf dem Markte zu Metz das deutsche
Reich, und alles war in Pracht und Fröhlichkeit.
Fr. v. Löher.
298. Wie Wurggrafiriedrich von Nürnberg durch Kaiser Sigismund
mit der Warkgrafschaft Brandenburg belehnt wird. (1417.)
Zu Konstanz an dem Markte saß Kaiser Sigismund,
Ihm war von Gram und Sorgen die Seele krank und wund. —-
„Wohin ich blick' im Reiche, Hader und Zwistigkeit;
Es wankt der alte Glaube; es seufzt die Christenheit.
Allein von allen Sorgen die schwerste, die ich fand,
Das bist doch du dort oben, du Brandenburger Land!
Mich weckt zur Nacht im Traume ein klagendes Geschrei:
„„Wir sterben und verderben; hilf, Kaiser, komm herbei!""
Von Elbe bis zur Oder Schlachtenlärm und Kampf und Blut,
Zerbrochne Städtemauern, Dörfer voll Schutt und Glut;
Verbrechen ohne Strafe, die Unschuld ohne Schutz;
Denn wer im Bügel sitzet, beut dem Gesetze Trutz.
Wo finde ich im Reiche den Mann von Herz und Hand,
Der vom Verderben rette mein Brandenburger Land? — —
Da schüttelten die Häupter die Fürsten und die Herrn:
„Wer will die märk'schen Wölfe in einen Käfig sperrn?