1914 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Hrsg.: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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Begleiter, daß Kiautschou in früheren Zeiten eine besondere Menge von
Berühmtheiten besessen haben müsse. Einzelne Torbogen sind so groß und
mit so prachtvollen Skulpturen und Steinfiguren, Reitern, Tiergestalten
und Hochreliefs geschmückt, daß sie auch irgendeiner europäischen Stadt
als Zierde dienen könnten. Sie sind indessen nicht für Verdienste
in unserm Sinn errichtet worden; das besagen die Inschriften.
Mit dem einen Torbogen feiert ein Chinese das tugendhafte Leben
seiner Mutter, mit dem andern die Kenntnisse seines Bruders, der die
Provinzialprüfung glänzend bestanden hat; ein dritter Bogen rühmt
die Standhaftigkeit einer Witwe gegenüber ihren vielen Freiern usw.
Die früher berühmten Industrien der Stadt sind noch heute großenteils
erhalten. Ich durchwanderte ausgedehnte Straßennetze, in denen jedes
Haus irgendeinen Kaufladen enthält, dessen Waren an Ort und Stelle
angefertigt werden. Besonders verdienen die Silber- und Bronzewaren
hervorgehoben zu werden. Schmuckgegenstände aus Silber, Fingerringe,
Ohrringe, Haarnadeln u. a. zeigen hübsche Filigranarbeit oder erhabne
Figuren von feiner Ausführung, wie ich sie sonst in China nur in
Kanton gesehen habe. Die Opiumlampen, Kerzenständer und Öllampen
aus Bronze sind mit der zartesten durchbrochnen Arbeit in hübscher
Zeichnung geschmückt. Hier werden metallne Pfeifenköpfe, dort hölzerne
Pfeifenrohre für Tabak oder Opium gedreht, Gegenstände der ver-
schiedensten Art gegossen, gehämmert, gefeilt, geschnitzt, alles mit
urwüchsigen Werkzeugen, die ebenfalls in Kiautschou hergestellt werden.
Eisen und Stahl wird über Schanghai von Europa geliefert; daraus
werden hier Feilen, Hobelmesser und Bohrer gemacht, dazu alle mög-
lichen Ackerbaugeräte u. a. Europäische Waren traf ich in den vielen
Basaren nur sehr wenig; ich bin jedoch überzeugt, daß sich in Kiautschou
schon in den nächsten Jahren ein ansehnlicher Markt für deutsche Waren
finden wird; denn die Stadt, obschon nicht mehr Hafen, ist doch der
Mittelpunkt eines sehr ausgedehnten, ungemein fruchtbaren Ackerbau-
gebiets.
Die schönsten Gebäude der Stadt sind die Tempel, vor allen jener,
der dem Gott des Kriegs, Kwangtai, geweiht ist. Im Schatten hoher,
alter Zypressen thront dort in einem hübschen Saalbau mit wunderlich
geschwungenen Dächern der alte Götze, eine riesige Holzfigur in seltsamen,
buntbemalten Gewändern. Auf dem Altar vor ihm stehen Opfergefäße
aus Bronze, Kerzenständer, Trommeln und Glocken, die von den