1914 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Hrsg.: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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ihren leblosen Landschaften berichten, gedenken gern der schattigen Oasen,
die besonders in der Sahara den ermüdeten Karawanen einen Ruhe-
platz gewähren. In den Tälern zwischen den großen Sandhängen sam-
melt sich immer etwas Feuchtigkeit an, was die wenn auch noch so spär-
liche Vegetation beweist. In der Sahara stößt man hier immer in einer
Tiefe von 2—3 m auf Grundwasser. An mehreren solcher Stellen sind
nun im Lause der Jahrhunderte durch ständige künstliche Bewässerung
die großen Oasen entstanden. Schon in weiter Ferne erblickt man ihre
dunkeln Haine von Dattelpalmen und vereinzelten Akazien.
153. Die Karawane.
Nach Hermann Magus.
Es ist Mitternacht vorüber; der erste, fahle Schein des Morgens
streicht über den Himmel. Dunkle, plumpe Massen lagern, Felsblöcken
gleich, im Sande; es sind die Kamele der großen Handelskarawane.
Zwischen ihnen schleichen in langen Mänteln Beduinen umher, den Tieren
die Fußgelenke zu entfesseln; denn die Stunde des Aufbruchs ist gekommen.
Alle kostbaren Erzeugnisse der Natur und der Menschenhand liegen hier
in Ballen und Kisten aufgestapelt: Seide aus Indien, Schals von
Angora, Samt aus Vrussa, Baumwollengewebe von Mosul, damas-
zenische Säbel, persische Dolche, arabische Lanzen, Straußfedern vom
Kap und indisches Elfenbein, Perlen von Bahrein, duftende Öle, Gummi,
Weihrauch und Myrrhen, Granatäpfel, Datteln, Schnee vom Atlas
für eines Paschas Keller. Alle diese Seltenheiten liegen hier beieinander
vereint, und die Kamele tragen sie vom Senegal nach Mogador, von
Bagdad nach Mekka, von Dschidda nach Kairo, von Timbuktu nach
Alexandrien. Jedem einzelnen Tier wird eine Last von vier bis sechs
Zentnern aufgelegt, die in dem hölzernen Sattelgerüst, mit welchem
der Höcker umzäunt ist, ihren Hauptschwerpunkt hat.
Nach zwei Stunden ist die Karawane gerüstet. Das Signal zum
Ausbruch wird gegeben und ein Kamel hinter das andere gebunden;
je zehn bis zwanzig zu einer Kette vereinigt, fetzen sich die Hunderte
von Tieren allgemach in Bewegung, bis der ganze Zug in einer unabseh-
baren, staubaufwirbelnden Linie sich ausbreitet. Voran reitet auf einem
Maulesel der Führer der Karawane, ein hagerer Araber, die lange
Flinte über der Schulter. Den Kamelen zur Seite gehen die Treiber;
es sind athletische, schweigsame Neger oder redefertige Söhne der Wüste.