1914 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Hrsg.: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
strahlen zu gelangen. Es gibt solche Kletterer, die ruhig und scheinbar
harmlos in den tropischen Wäldern wachsen, solange sie Licht genug
empfangen. Steigen ihnen aber die nebenstehenden Bäume über den
Kopf, dann senden sie plötzlich gerade, lange, stachlige Schößlinge zu
den Nachbarn hinüber, haken sich mit den Stacheln fest und reichen so
weit hinaus, daß sie nun ihrerseits über die Baumwipfel hinausragen.
Dort oben in der freien Höhe legen sie nun wieder neue Kolonien
von unbewehrten Zweigen an. Sie sind echte Raubritter, die sich von
allem Licht den ersten und besten Anteil zu sichern wissen.
Treten wir ans Wasser. Dort am feuchten Ufer wachsen die Schwert-
lilien, die Rohrkolben, die Kalmus; als schwertförmige Spitzen schießen
sie in die Höhe, sich durchdrängend ähnlich wie die Spargel, und wenn
sie in passender Höhe angekommen sind, breiten sie ihre Blätter seitlich
aus; so gewinnen sie Platz, um Licht zu schlucken. Auf dem Wasser
selbst aber, da legen die Seerosen und die Wasserlinsen ihre Blätter
bzw. ihren blattförmigen Körper breit und behaglich an die Oberfläche,
um sich bescheinen zu lassen. Die winzigen Wasserlinsen gehören zu den
stärksten Kämpfern unseres Klimas, denn sie können einen Tümpel so
vollständig überziehen, daß nichts Fremdes mehr unter ihnen fortkommt;
nur einzelne Wettbewerber können sich in seichtem Wasser gegen sie halten,
indem sie ihren Stamm ganz über die Wasserfläche hinaussenden oder die
Blätter an langen, starken Stielen hinüberheben, so z. V. die
Froschlöffel.
Wir zählen keine weiteren Beispiele aus, weil wir uns nur an
allbekannte Arten halten wollen. Das Gesagte mag genügen, um zu
zeigen, wie der Kampf ums Licht formenreich, wenn auch heimlich und
für gewöhnlich unbeachtet, in unserer alltäglichen Umgebung sich abspielt.
I8ü. Wie wärmen sich die Bäume im Winter?
Nach N. Sajö.
Wenn der Schnee schon einige Tage gelegen hat und die Tem-
peratur zwar nicht über den Gefrierpunkt gestiegen ist, aber auch
nicht bedeutend darunter steht, hat sogar der Stadtbewohner gute
Gelegenheit, in den öffentlichen Gärten und Baumanlagen ein wenig
Naturforscherei zu treiben. Er wird bemerken, daß der Schnee
um die Baumstämme rings herum rascher schmilzt und ein schnee-
loser Ring sich um den Baum bildet, wo der schwarze Erdboden
alsbald zutage tritt.