1914 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Hrsg.: Breidenstein, Heinrich
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
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nähren zunächst nur eine winzige grüne Masse von unbestimmter Form;
allmählich aber entwickelt sich daraus ein Moosstämmchen mit Blättern,
und zwar ein merkwürdiger Stamm mit merkwürdigen Blättchen. Zur
guten Hälfte besteht jener aus großen Zellen, die nichts enthalten als
Wasser. Die jungen Blätter bestehen anfangs aus gleichartigen Zellen;
mit der Zeit aber bildet sich bei ihnen eine Formverschiedenheit heraus;
je vier schmale, mit grünem Farbstoff gefüllte Zellen umgeben eine
größere viereckige; diese verliert beim Wachsen ihren organischen
Znhalt und wird ein leerer Wasserbehälter. Zugleich wachsen die innern
Teile des Blattes schneller als der Rand> und dadurch nimmt das ganze
Blättchen die Form eines Kahns an, dessen Höhlung wieder Wasser
zu fassen imstande ist. Der Stamm treibt kleine Zweige, die ihm nahe
anliegen, und in den Achseln sammelt sich gleichfalls Wasser an. So
ist das ganze Pflänzchen fast nichts anderes als ein Schwamm voller
Hohlräume; es hat deren so viele und enthält so wenig grünen
Farbstoff, daß es nicht einmal eine gesunde, grüne Farbe hat, sondern
einen grauen Anflug, durch den das Grün nur leise schimmert; es ist
ein Torfmoos. Es saugt und wächst und wächst mächtig. Immer neue
Spitzchen und Ästchen treibt es und dehnt sich kriechend aus; am hinlern
Ende stirbt es ab und verfault, aber die Spitzen wachsen weiter und
bilden Rasen, die, sich mehr und mehr verbreitend, schließlich den
ganzen Sumpf überwuchern. Sind erst die Lachen und Tümpel mit
Torfmoos gefüllt, so tritt eine neue Eigenschaft des Pflänzchens in
Wirkung. Es enthält nämlich so viel Gerbsäure, daß das Wasser, in
dem es lebt, fäulniswidrig wird; die Bazillen und Monaden, welche
die Fäulnis verursachen, können nicht mehr in ihm leben. Die
absterbenden Partien verfaulen infolgedessen nicht mehr, sondern mumi-
fizieren sich und sammeln sich an; sie bilden eine Unterlage, auf der die
jüngste Generation der Mooszweige weiter wächst. So bildet sich das
Moos zu einem Polster aus, das den ganzen Boden überzieht, und
wie die einzelne Pflanze ein Schwämmchen, so ist dieses Polster ein
riesiger Schwamm, der das an ihn gelangende Wasser festhält und mit
ihm weiter wuchert. Mächtig schwillt es heran und legt sich um
die Eichenstämme. Jahrzehntelang hält es ihren Fuß fortwährend im
sumpfigen Naß gebadet, und die Bäume widerstehen schließlich dieser
endlosen Verschwemmung nicht; sie sterben ab. Lange noch mögen sie
mit entblätterten Kronen dastehen, aber endlich werden sie morsch, und
der Wind bringt sie zu Fall; stürzend versinken sie in dem Schwamm,