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1. Schul-Lesebuch - S. 236

1863 - Berlin : Stubenrauch
236 Daher, als sie einstmals auch vor dem Hause auf die leib- lichen Almosen warteten, liess ich sie alle in’s Haus kommen, hiess auf eine Seite die Alten, auf die andere das junge Volk treten und fing allsofort an, die Jüngeren freundlich zu fragen aus dem Eatechismo Lutheri von dem Grunde ihres Christen- thums, liess die Alten nur zuhören, brachte mit solcher Katechi- sation nicht mehr Zeit als etwa eine Viertelstunde zu, beschloss mit einem Gebete und theilte darauf nach Gewohnheit die Gaben aus, mit beigefügter Vorstellung, dass sie also künftig allezeit das Geistliche und Leibliche zugleich haben sollten, und ermahnte sie, allezeit des Donnerstages auf gleiche Weise in meinem Hause zu erscheinen, welches sie denn auch thaten. Dieses ist zu An- fang des 1694sten Jahres angefangen. Hierzu kam, dass mir die Noth der Hausarmen, die sich von öffentlichem Almosensammeln enthalten, sehr zu Herzen ging. Diesen htm auf einige Weise zu dienen, liess ich in der Wohn- stube des Pfarrhauses eine Büchse fest machen und oben darüber schreiben: „Wenn Jemand dieser Welt Güter bat, und siehet sei- nen Bruder darben, und schleusst sein Herz vor ihm zu, wie bleibet die Liebe Gottes bei ihm?“ (1. Job. 3.) Und darunter: „Lin jeglicher nach seiner Willkür; nicht mit Unwillen oder Zwang; denn einen fröhlichen Geher hat Gott lieh.“ (2. Eor. 9.) Dieses sollte Diejenigen, so bei mir aus- und eingingen, oder von andern Orten zu mir kämen, selbst erinnern, ihr Herz gegen die Armen aufzuschliessen. Solches geschahe zu Anfang des 1695sten Jahres, dass icb’s mit dieser Büchse anfing. Da geschahe es nach gar kurzer Zeit, dass eine gewisse Per- son auf einmal vier Thaler und sechszehn Groschen in meine Armenbücbse hineinthat. Als ich dieses in die Hände nahm, sagte ich mit Glauhensfreudigkeit: „Das ist ein ehrlich Kapital; davon muss man etwas Hechtes stiften; ich will eine Armenschule da- mit anfangen.“ — Ich besprach mich nicht darüber mit Fleisch und Blut, sondern fuhr im Glauben zu und machte noch dessel- bigen Tages Anstalt, dass für zwei Thaler Bücher gekauft wur- den, und bestellte einen armen Studenten, die armen Kinder täg- lich zwei Stunden zu unterweisen. Um Ostern 1695 fing sich diese Armensehule mit so gerin- gem Vorrath an; denn die oben erwähnten vier Thaler und sechs- zehn Groschen sind der rechte Anfang und das erste Kapital, woraus nicht allein zuerst die Armenschule angerichtet, son- dern auch sofort hernach das Waisenhaus veranlasst und er- wachsen ist.“ Und dieses ist dasselbe Waisenhaus, welches noch heute als ein Zeichen und Zeugniss der Gnade Gottes dasteht, und worin, wie oben berichtet, täglich an dreitausend Kinder Schule und Unterricht empfangen und arme Waisen erzogen werden, und worin noch gar viel andere Liebeswerke gross gewachsen sind, dass man sagen muss: Hier ist aus einem Senfkorn ein grosser Baum geworden, in dessen Zweigen die Vögel des Himmels nisten.
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