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1. Schul-Lesebuch - S. 385

1863 - Berlin : Stubenrauch
385 seinem Kopfkiffen, damit er in müßigen Stunden seine schwertgewohute Hand im Führen der leichten Feder üben konnte. Denselben Eifer, den Karl für seine eigene und seiner Kinder Bildung zeigte, bewies er auch für die Bildung der Jugend überhaupt. Er errichtete am Hofe eine Schule als Muster für die übrigen im Lande, in welche alle feine Diener, hohe und niedere, ihre Söhne schicken mußten. Der Unterricht war unentgeltlich; nur freiwillige Gaben dankbarer Eltern wurden angenommen. Einmal trat er selbst in die Schulstube, hörte eme Zeit lang zu und ließ sich dann die schriftlichen Arbeiten der Schüler zeigen. Die geschickten mußten alle auf seine rechte, die ungeschickten auf seine linke Seite treten, und da fand es sich, daß die letzteren meist die Söhne vornehmer Eltern waren. Er wandte sich zu den fleißigen Kindern und sagte -. „Ich freue mich, meine lieben Kinder, daß ihr so gut einschlaget; bleibet dabei und werdet immer vollkommener. Ihr verfolget euer wahres Beste, und zu seiner Zeit soll euch mein Lohn nicht feh- len. Ihr aber — und hier wandte er sich zornig zur Linken — ihr Söhne der Edlen, ihr feinen Püppchen, die ihr euch so reich und vornehm dünket und des Wiffens nicht noth zu haben meinet, ihr faulen, unnützen Buben, ich sage euch: bei Gott! euer Adel und eure hübschen Gesichter gelten nichts bei mir; von mir habt ihr nichts Gutes zu hoffen, wenn ihr eure Faulheit nicht durch eifrigen Fleiß wieder gut machet!" Auch der Berbefferung des Gesanges widmete Karl seine Aufmerksamkeit. Er stellte zwei gute Sänger aus Italien an, von denen Gesanglehrer und Vor- sänger für Schulen und Kirchen gebildet werden sollten. Zudem wurde das Orgelspielen gelehrt, nachdem Karl die erste Orgel aus Constantinopel erhalten hatte. Aber die plumpen Franken stellten sich ebenso ungeschickt zum Singen, wie zum Spielen an. Zur Hebung des Verkehrs gedachte Karl die Donau und den Main durch einen Kanal zu verbinden. Die Ausführung dieses Planes ist aber erst in un- sern Tagen gelungen. Es ist sehr anziehend, einen großen Mann auch in seinen geringen Beschäfti« gungen zu betrachten. Mit demselben Eifer führte Karl Heere an, hielt er Schul- prüfungen ab, ersann er Gesetze für große Völker und lernte griechisch« Wörter. Wenn er auf seine Güter kam, ließ er sich die Rechnungsbücher vorlegen, in welche Alles bis auf die Anzahl der Eier eingetragen sein mußte, überzählte Einnahme und Ausgabe, rechnete seinen Verwaltern nach und machte Bauanschläge. Im drei und dreißigsten Jahre seiner Regierung wurde er zum römischen Kaiser gekrönt. Der Papst Leo Iii. hatte ihn zum Schutzherrn angenommen. Im Jahre 800 war Karl in Rom, wo er die gestörte Ordnung wiederherge- stellt und den Papst in seiner Würde befestigt hatte. Am Weihnachtöfeste dieses Jahres, als Karl in der Peterskirche dem Hochalter betend gegenüber kniete, ging plötzlich Leo auf ihn zu, setzte ihm eine Krone auf das Haupt, und die Kirche wiederhallte von dem freudigen Zuruf des Volks: „Leben und'sieg sei dem von Gott gekrönten, frommen, großen, friedebringenden Kaiser von Rom!" So lebte der abendländisch-römische Kaisertitel, der seit dem letzten römi- schen Kaiser Romulus Augustulus im Jahre 476 erloschen war, wieder auf, 25 0
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