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1. Das Mittelalter - S. 4

1866 - Leipzig : Brandstetter
2 sind die Herren der Wälder, die gewaltigen Helden, welche flüchtigen Laufes den Ur im Dickicht ereilen und ihn kämpfend mit dem Speere erlegen, istolz auf solche glücklich bestandene Kämpfe tragen sie die Zeichen ihrer Siege an ihrem Leibe. Es sind die Häute des erlegten Wildes, mit denen sie sich bekleiden. Wer sind die Männer? Es sind die Ureinwohner unseres Vater- landes, die Sueven, und zwar die edelsten Stämme derselben, die Sem- nonen, welche zwischen der Elbe und Oder wohnten, und ihre Nachbaren, die kriegerischen Langobarden aus der Altmark. Sie und noch andere freie deutsche Männer sind gekommen, um das Frühlingsfest zu feiern zur Ehre ihrer Göttin Hertha. Schon ist diese — das haben die Priester geschaut und verkündigt — herabgestiegen auf ihren Wagen im heiligen Hain; schon haben die Priester den Wagen bespannt mit den geweihten Kühen und ihn bedeckt mit köstlichen Teppichen. Erwartungsvoll steht die Menge. Da nahet der Zug der Priester mit dem Wagen der Göttin, welche, unbemerkt von dem Volke, sich freuet über ihre Schöpfung und über die Zeichen der Verehrung, die man ihr zollt. So fährt sie auf der Insel umher. Da waren denn die Tage fröhlich und die Orte festlich, welche die Göttin mit ihrer Gegenwart beglückte; man zog in keinen Krieg, ergriff keine Waffe zum Kampf; alles Eisen ruhte, man kannte nur Friede und Freude. War der Wagen mit der Göttin vorüber, dann belustigte man sich auf mancherlei Weise. Dort tanzten nackte Jünglinge zwischen aus- gestellten Schwertern; hier unterhielt mau sich durch das beliebte Würfel- spiel. Da saßen und tranken sie aus dem Horn des Ur den berauschenden Meth und lauschten ans den Gesang des Barden, welcher in Liedern die Heldenthaten der Tapfersten besang. Wenn aber die Göttin des Umgangs mit den Sterblichen müde war, dann führten die Priester den Wagen zurück in das Innerste des Haines. Dort wurde sie nebst Wagen und Teppichen in dem geheimnißvollen See gebadet. Die Sklaven, welche man dabei gebrauchte, kehrten nie zurück, sie wurden von dem See verschlungen. Daher entstand dann ein geheimes Grauen und eine heilige Scheu vor dem, das nur die schauen durften, welche starben. Jene Insel „des heiligen Haines" steht noch im Meere, sie ist das lieblichste Eiland der Ostsee. Ihr Name ist Rügen und noch wird ger- manisch auf ihr gesprochen. Noch zeigen die Eingebornen dem Fremdling den heiligen Hain, wo einst freudige und freie Menschen sich zum Früh- lingsfeste der Mutter Erde versammelten und der Priester mit dem Wagen den fröhlichen Umzug hielt. Noch ruht der Herthasee mit seinen tiefen Wassern zirkelrund zwischen bemoosten Hügeln, von dunkeln Buchen be- schattet, und in dieser stillen Natur umwehen uns noch immer heilige Schauer. Au seinem nördlichen Ende liegt mit ihren hohen Wällen die Burg mit dem Eingänge, wo das Bild der Göttin verehrt ward. Sie ist jetzt mit Binsen bewachsen. Umgestürzte Altäre und Opfersteine er- innern an frühere Zeiten, wo dem Germanen das Evangelium Jesu Christi noch nicht verkündet war.
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