1866 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Grube, August Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gehobene Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
- Inhalt: Zeit: Antike, Mittelalter
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Bürgerrecht und die römische Ritterwürde ertheilte. Als aber sein Vater
Segimer gestorben war, kehrte er, mit Erlaubniß der Römer, in seine
Heimath zurück. Vielleicht glaubte man zu Rom, daß der Jüngling, den
man zu Ehren und Würden erhoben hatte, mit Liebe fiir Rom erfüllt sei
und daß er seine Landsleute zu gleichen Gesinnungen führen würde; aber
man irrte sich. Sowie Moses einst, als er am Hofe der Aegppter er-
zogen wurde, in aller Weisheit derselben zunahm und doch voll heißer
Liebe für sein armes, unterdrücktes Volk erglühete: so war auch Hermann
nur seiner Bildung, nicht seiner Gesinnung nach ein Römer geworden.
Sein Herz war und blieb seinem Vaterlande mit heißer Liebe zugethan.
Er sah, als er in die Heimath zurückkehrte, die nahe Unterjochung
seines Vaterlandes vor Augen. Immer weiter hatten sich die Römer mit
List und Gewalt ausgebreitet; immer zahlreicher wurden ihre Schanzen
und Besatzungen auf deutschem Boden; immer mehr wurden deutsche
Sitten verdrängt. Um allmälig und unvermerkt das Joch der Knechtschaft
über den Nacken der Deutschen zu werfen, entzog man ihnen durch Aus-
hebung ihre junge Mannschaft, gewöhnte man sie an fremde Bedürfnisse
und römische Lebensweise und schickte ihnen römische Advokaten zu, die
nach römischem Recht die Streitigkeiten schlichten sollten. Besonders hart
wurden die Deutschen von Quintilius Varus gedrückt, der jetzt Statt-
halter war diesseits und jenseits des Rheins. Die Deutschen haßten ihn;
denn dieser Römer nahm ihnen nicht bloß ihr Hab und Gut, sondern
suchte ihnen auch das alte gute Recht aus der Hand zu winden und die
Sprache ihrer Väter zu verdrängen, damit sie auch dann, wenn sie redeten,
immer daran denken sollten, daß sie Knechte seien des römischen Kaisers.
Hermann ergrimmte in seinem Herzen, als er die Schmach seines
Vaterlandes sah, und er beschloß die deutsche Freiheit zu retten. Aber das
Unternehmen war schwierig und für einen gemeinen Kops ganz unaus-
führbar. Die Römer standen da mit einer großen Kriegsmacht, die sich
an das rauhe Klima von Deutschland gewöhnt hatte. Die Deutschen
waren getheilt, schwer zu vereinigen und noch schwerer zusammenzuhalten.
Im offenen Felde konnten sie es nicht mit den kriegserfahrenen Römern
aufnehmen; nur in sumpfigen, waldigen Gegenden, die sie genau kannten,
ließ sich Vortheil für sie erwarten. Das bedachte Hermann und entwarf
danach seinen Plan.
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Ein Bruder Hermanns, Flavius mit Namen, war ganz und gar
römisch geworden. Nach dessen Sinnesart beurtheilte nun auch Barns
den Hermann, welcher eben so freundlich als Flavius gegen den römischen
Feldherrn that und oft von Varus zu Tische geladen ward. Hermann
ließ ihn beim Glauben, bis das Werk der Befreiung, das er heimlich im
Herzen trug, zur Reife gediehen sei. Denn heimlich hatte er die Besten
seines Stammes zusammenberufeu und mit ihnen in stiller Waldeinsamkeit
Rath gepflogen. Alle erkannten, daß für die Deutschen nur darin Heil