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1. Das Mittelalter - S. 16

1866 - Leipzig : Brandstetter
14 denken, zu welchen Schändlichkeiten jenes Gesetz Veranlassung gab. Manche nichtswürdige Menschen machten sich ein eigentliches Geschäft daraus, Andere anzugeben, die oft nichts weiter gethan hatten, als verdrießlich eine Bild- säule des Kaisers anzusehen, oder bei dem Anssprechen des kaiserlichen Namens die Achseln zu zucken. So wurde Mancher, der gar nichts ver- brochen hatte, plötzlich aus der Mitte seiner Familie herausgerissen, in's Gefängniß geworfen und ohne weiteres Verhör hingerichtet. Fast kein Tag verging, an welchem Tiberius nicht eine Menge von Todesurtheilen unterzeichnete, und das that er sehr gern. Eine Mutter wurde hingerichtet, weil sie über ihren Sohn Thränen vergossen hatte, der auf Tiberius' Befehl hingerichtet worden war. Zuletzt war der Schrecken vor dem Despoten so groß, daß sich Männer und Frauen selbst um's Leben brachten, nur um nicht dem Kaiser und seinen Söldnern in die Hände zu fallen. Je freund- licher Tiberius war, desto mehr mußte man sich vor ihm hüten. Außer sich liebte er kein Wesen, selbst seine Mutter nicht, die doch so viel für ihn gethan hatte. Er sagte einmal: „Wenn ich todt bin, mag der Himmel einfallen." 2. Daß Tiberius höchst mißtrauisch war und von Jedem das Schlimmste argwöhnte, lag ganz in seiner Despotennatur. Seine Leibgarde, die Prä- torianer, brachte er auf 10,000 Mann, die sollten theils seine Person beschützen, theils seine Bluturtheile vollstrecken. Sie wurden in befestigten Kasernen (enstrn. pruetorinnn) vor den Thoren der Hauptstadt gelagert, und hielten Alles in Furcht und Schrecken. Der Oberste dieser Leibwache war Sejanus, ein schlechter, verworfener Mensch, aber eben deshalb dem Tiberius lieb und werth. Dieser Sejanus, um desto ungestörter in Rom wirthschaften zu können, beredete den Kaiser, lieber auf dem Laude sich zu vergnügen, wo er vor Meuchelmord sicherer sei, als in der Stadt. Das schien dem Tiberius nicht übel; er verließ wirklich Rom und wählte die Insel Caprea oder Capri, Neapel gegenüber, zu seiner Residenz. Da baute er sich einen prächtigen Palast und fröhnte allen Lüsten und Be- gierden. Diese Insel war aber auch ganz passend für seinen Argwohn und sein Mißtrauen. Uebera'll von schroffen Felsen umgeben hat sie nur Einen Zugang, der von dem Palast aus leicht übersehen werden konnte, und es wurde streng verboten, daß Keiner ohne ausdrückliche Erlaubniß des Kaisers nach Capri käme. Einmal kam ein armer Fischer, der einen vorzüglich schönen Fisch gefangen hatte, nach der Insel und kletterte an einer Felsenwand hinauf, um ihn dem Kaiser zu überreichen. „Ungliicklicher, wie kommst du hierher?" schrie ihn Tiberius an, sobald er ihn erblickte, und befahl sogleich, ihm mit dem Fische und der harten Schale eines See- krebses so lange das Gesicht zu reiben, bis die Haut abspränge. Unterdessen regierte Sejan in Rom auf fürchterliche Weise. Die meisten vornehmen Familien wurden nach einander ausgerottet, und ihr Vermögen floß in die Kasse des Kaisers und seines würdigen Freundes.
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