1866 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Grube, August Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gehobene Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
- Inhalt: Zeit: Antike, Mittelalter
Dritter Abschnitt
Die Völkerwanderung.
1. Attila (451 n. Chr.).
1.
^)ie Hunnen gaben den Anstoß zur großen Völkerwanderung, die mit
Zertrümmerung des römischen Weltreiches endigte. Sie wohnten ursprüng-
lich im Norden und Nordwesten von China, in der heutigen Mongolei und
Kalmücke!, und hausten im 4. Jahrhundert in den Steppen am Kaspischen
Meere. Ihre unfruchtbaren Hochebenen erstreckten sich mehrere hundert
Meilen in die Breite und in die Länge vom Jrtisch bis an den Amur
und von den Tibetanischen Gebirgen bis zum Altai. Den gesitteten Völ-
kern erschienen sie wie wilde reißende Thiere; ihr Anblick war furchtbar.
Sie hatten einen kleinen, aber starkknochigen Körper, ihr fleischiger Hals
schien zwischen den Schultern vergraben, der Kopf war dick und rund,
die Stirn kurz, die Nase gequetscht, das Gesicht breit und platt, der Bart
dünn; ihre Augen waren klein und scharf, die schwarzen Augenbrauen
schräg stehend und sehr dünn, die Ohren abstehend, der Mund breit. Als
ein echtes Steppenvolk haßten die Hunnen den Ackerbau und feste Wohn-
sitze; Jagd und Krieg war ihr Leben, Viehzucht ihre Beschäftigung. Sie
nährten sich von den Wurzeln ihrer Steppen und von dem halbrohen
Fleisch ihrer Thiere. Ihr Getränk war die Milch ihrer Heerden, aus
deren Molken sie einen berauschenden Trank zu bereiten wußten. Der
unzertrennliche Gefährde des Hunnen war sein Pferd. Auf seinem kleinen
und häßlichen, aber schnellen und unermüdlichen Pferde aß, trank und
schlief er, zu Pferde focht er seine Kriege aus und durchschwärmte er seine
Wüsteneien, während seine Familie auf Wagen, die von Ochsen gezogen
wurden, gefolgt von den Heerden, langsam hinter ihm drein zog. Die
ganze Nomadenhorde gehorchte 24 Oberhäuptern, welche aber, wenn es
große Unternehmungen galt, einen gemeinschaftlichen Oberbefehlshaber
wählten. Ihre Art zu fechten war wild und regellos. Mit gräßlichem
Geschrei überfielen sie den Feind, stoben aber sogleich wieder auseinander,