1866 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Grube, August Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gehobene Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
- Inhalt: Zeit: Antike, Mittelalter
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König, der Aller Kräfte vereinigte, es vor^jeder Gefahr besser schützen
werde, und erwählte (584) Autharis, den Sohn Kleph's, einen schönen,
tapfern und klugen Mann. Der waltete mit Weisheit im Innern des
Landes, sicherte die Grenzen und verband sich mit den Baiern gegen die
Franken, welche stets in Unfrieden lebten mit den Longobarden. Der
Volksstamm der Baiern hielt seit dem Fall der Ostgothen zum Reich der
Franken, aber er war ihm nicht zinsbar, und wurde von eigenen Fürsten
beherrscht. Damals war Garibald Herzog der Baiern, der hatte eine
holdselige Tochter Theudelinde. Um diese warb nun König Autharis
durch Gesandte, und Garibald sagte sie ihm zu. Da kam Autharis selber,
den Baiern unbekannt, als sein eigener Botschafter verstellt, zu Garibald,
und bat um die Gunst, die Braut zu erschauen, damit er ihre Gestalt
und ihr Antlitz dem Könige daheim beschreiben könnte. Als er sie nun
erblickte, überwältigte ihn ihre Schönheit, und er bat um einen Becher
Wein aus ihrer schneeweißen Hand. Die Fürstentochter kredenzte ihm
denselben, und als ihn der Unbekannte zurückgab, berührte er wie von
ungefähr ihre Finger und Wangen. Darüber erschrak die Jungfrau, und
voll Schaam erzählte sie es heimlich ihrer Amme. Die aber sagte: „Gewiß
ist's dein Bräutigam selbst, denn kein Geringerer hätte solches gewagt,
und fürwahr, der dich berührte, ist wohl werth, ein König und dein Gatte
zu sein." Wie nun Autharis mit den Seinigen wieder vom Hofe fortzog,
gaben ihm die Baiern bis zur Grenze des Landes das Geleit; da erhob
sich Autharis auf seinem Roß, warf seine Streitaxt an den nächsten Baum,
daß sie tief eindrang, und ries: „Solche Würfe thut Autharis." Daraus
erkannten setzt die Baiern, daß sie den König selber begleitet hatten.
Nicht lange darauf überzog der König der Franken den Garibald mit
Krieg. Als die Baiern hart bedrängt wurden, entfloh Theudelinde mit
ihrem Bruder Gundrald nach Italien, um Schutz zu suchen bei ihrem
Verlobten, Autharis. Dieser ritt ihr mit einem großen Gefolge entgegen,
und als er ihr auf den Gefilden bei Verona begegnete, hielt er dort gleich
die stattliche Hochzeit. Jubelnd begrüßten die Longobarden ihre junge
Königin.
5. Theudelinde und Agilulf.
Nachdem Autharis sechs Jahre König der Longobarden gewesen war, starb
er bei Ticinum (590). Die Königin Theudelinde (Theodolinde) aber hatte
sich die Zuneigung des ganzen Volkes erworben und darum gestatteten sie
ihr, daß sie Königin bleiben sollte, und versprachen auch, Denjenigen als
ihren Herrn anzuerkennen, welchen Theudelinde sich zum Gemahl ersehen
würde. Da berief die Königin die weisesten Männer und beredete sich mit
ihnen; diese riethen ihr, den Agilulf zu wählen, einen tapferen und thätigen
Mann, auch an Körper und Geist zur Herrschaft wohl geschickt. Die Kö>
nigin ließ ihn zu sich entbieten und ritt ihm selber entgegen. Als er zu ihr
kam, unterredete sie sich eine Zeit lang mit ihm und ließ dann Wein her-
beibriugen. Zuerst trank sie, und reichte dann dem Agilulf den Becher.