1866 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Grube, August Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gehobene Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
- Inhalt: Zeit: Antike, Mittelalter
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ward, wie er es gewünscht hatte, sein geliebter Sohn Wilhelm Herzog
der Normandie. Aber die Minderjährigkeit desselben gab zu vielen Un-
ruhen Veranlassung. Die großen Vasallen wollten sich Wilhelm's Herr-
schaft nicht unterwerfen und der damalige König von Frankreich, Hein-
rich I., suchte die furchtbare Macht der Normannen zu brechen. Doch
wie sich unter Gefahren und Mühseligkeiten der Mann bildet, so reifte
auch Wilhelm auf diesem Wege seiner zukünftigen Größe entgegen. Im
Kampfe mit seinen Vasallen entwickelte sich sein Feldherrntalent und eben
dadurch erwarb er sich einen ausgebreiteten Ruhm und ein tapferes Heer
für das große Unternehmen, das seinen Ruhm unsterblich gemacht hat.
2.
Eduard der Bekenner, der jüngere Bruder Edmund's Jronside, seit
1042 König von England, war dem Herzog Wilhelm in Liebe gewogen
und da er keine Nachkommen hinterließ, versprach er ihm heimlich die Erb-
folge, zumal da auch Wilhelm mit dem Königshause verwandt war. Noch
näher dem Throne stand aber Graf Harald. Dieser, der angesehenste
Mann unter den englischen Großen, besaß das Vertrauen der Nation,
auch Reichthum, Ehrgeiz und Macht genug, um nach der Krone begierig
zu sein. Fast ganz England stand unter seinem und seiner Freunde Ein-
fluß und Eduard konnte sich ihm nicht entziehen. Aber auch hier schien
das Glück für Wilhelm geschäftig, indem es ihm den Gegner zuführte.
Einst ward Harald durch Stürme au Frankreichs Küste verschlagen und in
Räuberhäude gefallen. Wilhelm, hiervon benachrichtigt, befreite den Ge-
fangenen und empfing ihn sehr ehrenvoll in seiner Hauptstadt Rouen.
Während er nun hier in Freundschaft mit ihm lebte, entdeckte er ihm das
Geheimniß seiner Aussicht auf den englischen Thron und beschwor ihn,
mitzuwirken für die Erlangung desselben. Um ihn recht fest an sich zu
ketten, versprach er ihm seine Tochter zur Gemahlin und zugleich ließ er
ihn auf heilige Reliquien schwören, daß er unverbrüchlich treu Wilhelm's
Thronbesteigung fördern wolle.
3.
Harald hatte den verlangten Eid geleistet, aber er war nicht der Mei-
nung, ihn halten zu müssen. Sein Ehrgeiz sträubte sich dagegen, vielleicht
auch seine Vaterlandsliebe, der es unerträglich sein mochte, daß England
einer Fremdherrschaft anheimfallen sollte. Er vermehrte daher nach seiner
Rückkehr die Zahl seiner Anhänger und verbreitete unter den Engländern
Widerwillen gegen die Normänner. König Eduard, obwohl er wünschte,
daß der Herzog der Normandie sein Nachfolger werde, hatte weder Muth
noch Kraft, sich nachträglich für denselben zu erklären, und mitten in die-
sem Zögern ereilte ihn der Tod (1066). Kaum war er verschieden, so
bestieg Harald, mit Genehmigung des englischen Volkes, den Thron.
Da entbrannte Herzog Wilhelm von heißem Zorn, er schalt den Ha-
rald einen Eidbrüchigen und rüstete sich nun, mit den Waffen zu erringen,