1866 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Grube, August Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gehobene Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
- Inhalt: Zeit: Antike, Mittelalter
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hoffnungsvollen Jüngling dahin. Nach ihm übernahm Herzog Leopold
von Oestreich die Führung des Heeres.
1v.
In Deutschland wollte man lange nicht glauben, daß der Schirmherr
des Reiches, der gefürchtete und geachtete Kaiser Rothbart, wirklich ge-
storben sei. Die Volkssage hat ihn nach Thüringen in die Burg Kyff-
hausen, versetzt. Dort sitzt er im unterirdischen Saale nachdenkend und
sinnend am marmornen Tische. Zu Zeiten gelingt es einem Sterblichen,
in jenes Gemach zu dringen. Dann wacht der Kaiser aus seinem Schlummer
auf, schüttelt den rothen Bart und begehrt Kunde, ob noch krächzende Raben
den Kyffhäuserberg umkreisen. So lange die schwarzen Vögel noch um
die Felsenkrone flattern und ein Adler sie nicht Hinweggetrieben hat, so
lange — meldet die Sage — verharrt auch der Alte noch in seiner ver-
zauberten Burg. Vernimmt er, daß sie noch kreischen, so blickt er düster
vor sich hin, seufzt tief und spricht: „Schlafe wieder ein, müde Seele!
Noch muß ich hundert Jahre harren, bevor ich wieder unter meinem Volke
erscheine." Zuletzt soll den schlummernden Kaiser ein Hirt gesehen haben,
der seine Ziege durch die goldene Ane trieb und sich am Kyffhäuserberg
verirrte. Der Bart des Kaisers war beinahe um den Marmortisch ge-
schlungen. Wenn er denselben ganz bedeckt, dann erwacht Friedrich Barba-
rossa und die Raben sind verscheucht.
3. Friedrich Ii. (1250 n. Chr.).
1.
Heinrich Vi., der Sohn Friedrich Barbarossa's, hatte sich durch Hab-
sucht und Grausamkeit verhaßt gemacht, und als er gestorben war, wollten
weder Deutsche noch Sicilianer seinen Sohn Friedrich, der noch ein
unmündiges Kind war, anerkennen, doch seiner klugen Mutter Konstantia
gelang es mit Hülfe des Papstes, daß er zum König von Sicilien und
Neapel gekrönt wurde. In Deutschland aber loderte der Streit zwischen
Welfen und Hohenstaufen mit erneuter Heftigkeit auf. Die eine Partei
wählte Otto, einen Sohn Heinrich's des Löwen, die andere den Herzog
Philipp von Schwaben, einen Sohn des Barbarossa und Oheim des
zweiten Friedrich. Mit furchtbarer Wuth kämpften die beiden Gegenkönige
zehn Jahre lang um den Besitz der Krone. Die verderbliche Zwietracht
zwischen Welfen und Hohenstaufen drang bis in das Innere der Häuser
und Familien. Raub, Mord und Grausamkeit aller Art wütheten so
schauderhaft, daß selbst Kirchen und Klöster nicht verschont blieben. Handel,
und Gewerbfleiß verfielen, und da König Philipp die großen Schätze und
Güter der Hohenstaufen zu Bestechungen verschwendete, so schwand auch
alle Redlichkeit und die Fürsten und Herren verkauften ihre Treue schäm-