1866 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Grube, August Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gehobene Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
- Inhalt: Zeit: Antike, Mittelalter
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mit seinem Pferde, so hörte er eine Schelle klingen. Er ritt dem Getön
nach durch das Gesträuch, zu erfahren, was da wäre. Da fand er einen
Priester mit dem hochwürdigen Sakrament und seinen Meßner, der ihm
das Glöcklein vortrug; da stieg Graf Rudolph von seinem Pferde, knieete
nieder und bewies dem heiligen Sakramente seine Verehrung. Nun war
es an einem Wasserlein und der Priester stellte das heilige Sakrament
neben sich, fing an, seine Schuhe auszuziehen, und wollte durch den Bach,
der sehr angeschwollen, hindurchwaten, denn der Steg war durch An-
wachsen des Wassers hinweggerissen. Der Graf fragte den Priester, wo
er hinauswolle. Der Priester antwortete: „Ich trage das heilige Sakra-
ment zu einem Siechen, der in großer Krankheit liegt, und da ich an das
Wasser gekommen, ist der Steg hinweggerissen, muß also hindurchwaten,
damit der Kranke nicht verkürzt werde."
Da hieß Graf Rudolph den Priester mit dem hochwürdigen Sakra-
mente auf sein Pferd sich setzen und damit bis zum Kranken reiten, damit
er nicht versäumt werde. Bald kam der Diener einer zum Grafen, auf
dessen Pferd setzte er sich und ritt der Waidlust nach.
Da nun der Priester wieder heim kam, brachte er selber dem Grafen
Rudolph das Pferd wieder mit großer Danksagung für die Gnade und
Tugend, die er ihm erzeigt. Da sprach Graf Rudolph: „Das wolle
Gott nimmer, daß ich oder meiner Diener einer mit Wissen ein Pferd
besteige, das meinen Herrn und Schöpfer getragen hat. Dünket Euch, daß
Jhr's mit Gott und Recht nicht haben möget, so bestimmt es zum Gottes-
dienst, denn ich habe es dem gegeben, von dem ich Leib, Seele, Ehre und
Gur zu Lehen habe." Der Priester sprach: „Herr, so wolle Gott Ehre
und Würdigkeit hier in Zeit und dort in Ewigkeit Euch schenken."
Am folgenden Morgen ritt Rudolph in ein Kloster. Dort sagte ihm
die Klosterfrau: „Darum wird Gott der Allmächtige Euch und Eure
Nachkommen hinwiederum begaben und sollet fürwahr wissen, daß Ihr
und Eure Nachkommen zu höchster zeitlicher Ehre gelangen werdet!"
Der Priester wird Kaplan des Erzbischofs von Mainz und hat ihm
und anderen Hwiwen von solcher Tugend, auch von der Mannheit des
Grafen Rudolph so rühmend gesprochen, daß sein Name im ganzen Reich
bekannt und berühmt ward, so daß er nachmals zum römischen König er-
wählt wurde.
2. Rudolph wird zum König erwählt.
Während Rudolph Basel belagerte (1273), empfing er die Nachricht
von seiner Erhebung auf den deutschen Thron. Er selbst war durch das
Unerwartete überrascht und noch mehr seine Feinde. Unwirsch schlncf sich
der Bischof von Basel vor die Stirn und rief: „Sitze nur fest, Herr
Gott, oder Rudolph wird deinen Platz einnehmen." Die Baseler Bürger-
schaft aber machte sogleich mit ihm Frieden, öffnete ihm die Thore und
leistete ihm den Eid der Treue. Er ging darauf nach Mainz, wo er die
Reichsinsignien in Empfang nahm bis ans das Reichsscepter, das in den
Grube, Geschichtsbilder. Ii. 14