1866 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Grube, August Wilhelm
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gehobene Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Europäische Geschichte
- Inhalt: Zeit: Antike, Mittelalter
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Turniere und versagte denen, welche darin gefallen waren, ein christliches
Begräbniß.
Auf ihren Burgen lebten übrigens die Ritter wie kleine Könige, in
Reichthum, Pracht und heiterem Lebensgenüsse. Ein Fest drängte das
andere. Beim Becherklang ergötzten sie sich an den Erzählungen ihrer
Großthaten. Andere, welche kein Eigenthum besaßen, zogen mit ihren
Knappen zu Roß von Land zu Land, schmauseten bei andern Rittern und
gingen, wie einst die griechischen Helden Herkules, Jason, Theseus, auf
Abenteuer aus. Diese nannte man,Jährende Ritter." Bald kamen wun-
derbare Erzählungen auf von Abenteuern und Heldenthaten, welche diese
Ritter vollbracht haben sollten. Der eine hatte gegen Zauberer, der audere
gegen fürchterliche Riesen, der dritte sogar gegen feuerspeiende Drachen
gekämpft.
Manche Ritter vergaßen aber die Würde ihres Standes so sehr, daß
sie fast nur von Streit und Fehde, von Raub und Plünderung lebten.
Da hingen an Bergen und Felsen hundert und hundert trotzige Burgen,
die wie eine große Sklavenkette sich durch das ganze Land zogen. Aus
ihren Raubnestern machten die Ritter mit ihren Reisigen Ausfälle, über-
fielen den armen, wehrlosen Wanderer, den Bauer und den Städter, war-
fen die Knechte der Kaufleute nieder und führten den Raub frohlockend
mit sich auf ihre Burg. Auch an den Felsenufern der Flüsse erhoben
sich drohend ihre Schlösser und Burgen und die vorüberfahrenden Schiffe
mußten harten Zoll erlegen. In den häufigen Fehden der Ritter unter-
einander wurden nicht selten die blühendsten Saatfelder von den Hufen
der wilden Streitrosse zertreten. Die Kaiser waren schwach und vermoch-
ten selten dem Uebermuthe der Adeligen mit kräftigem Arme zu steuern.
Das waren die traurigen Zeiten des Faustrechts, wo derjenige Recht be-
hielt, der die Gewalt besaß.