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1. Die neue Zeit - S. 111

1866 - Leipzig : Brandstetter
111 Innsbruck kommen würde, er ließ auch dort eine Wohnung miethen, ja er reiste gar dahin ab, wurde aber unterwegs plötzlich krank. Endlich, als Alles reif war, versammelte er schnell sein Heer und flog wie ein Sturm- wind herbei, mit einer solchen Schnelligkeit, daß er den Kaiser fast in Innsbruck erreicht hätte. Bei Nacht und Nebel mußte der kranke Mann im fürchterlichsten Regenwetter fliehen und nur mit Mühe und Noth entkam er nach Villach in Kärnthen, in einer von Mauleseln getragenen Sänfte. Moritz benutzte seinen Vortheil. Er drang dem Kaiser nicht nur das Versprechen ab, augenblicklich beide gefangene Fürsten freizulassen und sich an ihm nie rächen zu wollen, sondern zwang ihn auch in einem Ver- trage zu Passau, 1552, den Evangelischen dasselbe Recht vor dem Reichs- kammergerichte zu bewilligen, welches die Katholiken bisher allein genossen hatten, auch einen Reichstag zu berufen, auf dem endlich einmal alle Religionszwiste ausgeglichen werden sollten. Das geschah auch 1555 in Augsburg, wo der sogenannte Religionsfriede geschlossen wurde, der den Protestanten im ganzen Reiche freie Religionsübung sicherte. We- der sie noch die Katholiken sollten einander zum Ucbertritt verleiten, kein Landesherr sollte seine Unterthanen zu einem anderen Bekenntniß zwingen, auch Jedem das Auswandern erlauben. Wäre nur dieser Friede dauere haft gewesen! Karl's V. Abdankung und Tod. Seit der durch Moritz erlittenen Demüthigung verlebte der Kaiser keine frohe Stunde mehr. Alles mißlang ihm. Er hatte einen einzigen Sohn, den finsteren, stolzen, heimtückischen Philipp, den hätte er gern zum deutschen Kaiser gemacht. Aber sobald ihn die Deutschen nur sahen, hatten sie schon genug an seinem finsteren Gesichte, das sich nie zum Lachen verzog; auch wollte Ferdinand nicht die Krone abtreten. Dann fing Karl noch einen Krieg mit Frankreich an, aber seine Heere wurden ge- schlagen. Zu diesem Verdruß kamen körperliche Leiden, die ihm jede Freude vergällten. Da faßte der lebensmüde Kaiser den Entschluß, seine Regie- rung niederzulegen und die ihm noch übrige Lebenszeit in klösterlicher Stille zu verleben. Im Herbste 1555 reiste er nach Brüssel, ließ seinen Sohn Philipp auch dorthin kommen und trat ihm in feierlicher Versammlung die Regierung der Niederlande ab. Neapel hatte er ihm schon früher übergeben. Es war ein rührender Anblick, den kranken Kaiser zu sehen, wie er von dem Leben Abschied nahm. Mit Mühe erhob er sich von seinem Throne, gestützt auf die Schulter des Prinzen von Oranien, und hielt eine erschüt- ternde Rede. Er erzählte, wie er seit seinem 16. Jahre unablässig mit der Regierung seiner weitläufigen Staaten beschäftigt gewesen sei und für sich fast gar keine Zeit übrig behalten habe. Ueberall sei er bestrebt ge- wesen, mit eigenen Augen zu sehen, und sein Leben sei daher eine stete Pilgerfahrt gewesen. Neun Mal habe er Deutschland, sechs Mal Spanien,
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