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1. Die neue Zeit - S. 256

1866 - Leipzig : Brandstetter
256 lief) aber wandte er sich südlich und senkte sich in die weiten Steppen der Ukraine hinab. Hiermit ging Karl's Unglücksstern auf. Die Ursache dieses Entschlusses war, daß der alte 70jährige Kosaken -Hetmann Mazeppa ihm vorspiegelte, in der Ukraine, wo damals die Kosaken wohnten, wären Lebens- mittel, woran es jetzt den Schweden so sehr fehlte, im Ueberfluß und seine Kosaken bereit, mit den Schweden gemeinschaftliche Sache zu machen. Das war aber Alles nicht wahr. Mazeppa war ein ehrgeiziger Mann und hoffte sich dnrcb die Hülfe der Schweden zum unabhängigen Herrn zu machen. Karl, den Alles Ungewöhnliche schnell einnahm, folgte seinem Rathe und führte dadurch namenloses Elend für sich und sein Heer herbei. In der Ukraine fand Karl Alles anders, als er es sich gedacht hatte. Ueberall war drückender Mangel an Lebensmitteln. Die Kosaken weigerten sich, zu den Schweden überzugehen und blieben den Russen treu; nur we- nige folgten dem treulosen Mazeppa. Karl hatte einen seiner besten Ge- nerale, Löwenhaupt, befehligt, ihm einen großen Vorrath von Lebensmitteln und Pulver aus Kurland zuzuführen; endlich kam er auch bei ihm an, aber — die Vorräthe hatte ihm der Czar und Menschikow unterwegs abgenommen und ihm in einer blutigen Schlacht Tausende von Soldaten verwundet und getödtet und die paar Tausend vermehrten nur die Zahl der Hungernden. Nun fiel gar noch der Winter ein und zwar in solcher Strenge, wie man erlebt zu haben sich nicht erinnerte. Tausende erkrankten und starben. Was sollten die armen Schweden, entblößt von aller Bequemlichkeit, nun anfangen? Die Generale riethen, schnell umzukehren und sich durchzuschla- gen. Aber dazu war der eigensinnige Karl nicht zu bewegen; das sehe ja einer Flucht ähnlich, meinte er; er könne nur vorwärts gehen. So kam man zur Stadt Poltawa und belagerte sie. Schon war die russische Be- satzung auf's Aeußerste gebracht, da rückte Peter schnell heran, um durch eine Schlacht die Entscheidung herbeizuführen. Alles deutete darauf hin, daß die Schweden verlieren würden. Die Russen zählten an 120,000 Mann, die Schweden kaum 20,000. Dazu kam, daß Karl einige Tage vor der Schlacht einen Schuß in den Fuß erhielt, der ihm einige Zehen zer- schmetterte, und er also nicht reiten, daher auch nicht befehligen konnte. Am 8. Juli 1709 begann die verhängnißvolle Schlacht. Karl war selbst zugegen. Er saß auf einer Sänfte, die von zwei Pferden getragen wurde, und sein Adlerblick schweifte ans dem ganzen Schlachtfelde umher. So ging er in den dicksten Kugelregen! Plötzlich stürzte das eine Pferd, von einer Kugel getroffen, zu Boden und die ihn begleitenden Gardisten mußten ihn nun weiter tragen. Aber auch dies dauerte nicht lange. Eine Stückkugel zerschmetterte die eine Stange seines Tragbettes und er mußte sich nun mit seinem dickumwundenen Fuße zu Pferde setzen. Auch Czar Peter schonte sich nicht; eine Kugel war ihm durch den Hut gegangen, eine andere hatte seinen Sattelknopf zerschmettert. Aber reiche Entschädigung erhielt er durch den herrlichen Sieg, den er erfocht. Ein schwedisches Re- giment nach dem andern mußte sich ergeben und endlich begann eine all- gemeine Flucht. Karl selbst warf sich mit Mazeppa in einen Wagen und
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