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1. Die neue Zeit - S. 288

1866 - Leipzig : Brandstetter
288 9. Kaiserliche Worte und Thaten. In der Verwaltung des Staatswesens wollte Kaiser Joseph blos höchster Verwalter des Staates sein. Deshalb litt er keine Unter- händler und Vermittler zwischen sich und dem Volk. Vor der Thür des Kabinets, in welchem er vom frühen Morgen bis spät in die Nacht ar- beitete, standen immer viel Leute jedes Standes, denn Jeder durfte frei zu dem Kaiser kommen und mit ihm reden. Da ging Joseph von Stunde zu Stunde hinaus, nahm ihnen ihre Bittschriften ab und führte sie auch wohl in sein Zimmer, daß sie ihm Alles sagten, was sie auf dem Herzen hatten. Schon seine edle Mutter hatte große Verbesserungen eingeführt, vornehmlich die Abschaffung der Folter, der Hepenprozesse und der In- quisition. Joseph erwarb sich ewigen Ruhm, indem er die so lange unter- drückten Juden durch Bildung und Recht den übrigen Staatsangehörigen in Oesterreich gleichzustellen suchte und indem er 1781 die Leibeigen- schaft der Bauern aufhob. Dabei sprach er die echt kaiserlichen Worte: „Es ist ein Unsinn, zu glauben, daß die Obrigkeit das Land besessen habe, bevor es noch Unterthanen gab." Zum Beweise, wie hoch er den Bauern- stand ehrte, trat er einst auf einer Reise durch Mähren zu einem Bauer, der auf dem Felde Pflügte, ergriff den Pflug und ackerte selbst eine Strecke Landes. Die mährischen Stände bewahrten diesen Pflug, den des Kaisers Hand geführt hatte, zum Andenken. 10. Unglückliches Ende. So gut es nun auch der wackere Kaiser mit seinen Unterthanen meinte, so wurden doch seine Absichten von den Meisten verkannt; ja Viele arbei- teten ihm recht absichtlich entgegen. Statt geliebt zu werden, wie er so recht verdiente, erntete er nur Haß und Undank. War dies schon in sei- nen deutschen Staaten der Fall, so war es noch mehr in Ungarn und in den österreichischen Niederlanden. Ungarn, als ein besonderes Königreich, hatte noch seine eigenen Gesetze und Freiheiten; auch wurden 'die Gerichts- verhandlungen in lateinischer Sprache geführt, die fast jeder Ungar ver- stand. Aber Joseph wollte, daß alle seine Länder ein gleichmäßiges Ganzes ausmachen sollten und befahl daher, daß künftig auch in Ungarn die deutsche Sprache die allgemeine Geschäftssprache sein sollte. Wer von den Beamten sie in drei Jahren nicht verstünde, sollte sein Amt verlieren. Das zu fordern, war aber eine große Ungerechtigkeit und Härte, und brachte die Gemüther in Gährung, die sich noch vermehrte, als auch die bisherige Regierung des Landes noch verändert wurde. Noch schlimmer ging es in den Niederlanden, dem jetzigen Belgien. Hier machte er mehrere sehr nützliche Einrichtungen, die besonders einen besseren Unterricht der Geistlichkeit bezweckten. Aber gerade darüber waren die Bischöfe aufgebracht und hetzten das über manche Neuerung schon un- zufriedene Volk noch mehr auf. So brach im Jahre 1788 ein förmlicher Aufruhr aus; Joseph gab nach, aber es war zu spät. Mit Gewalt konnte
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