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1. Die neue Zeit - S. 373

1866 - Leipzig : Brandstetter
373 König vor die Schranken. „Ludwig" — so redete ihn der Präsident Barräre an — „die französische Nation beschuldigt Sie; der Konvent will, daß Sie durch ihn gerichtet werden; man wird Ihnen das Verzeichniß Ihrer Verbrechen vorlesen. Sie können sich nun setzen!" Der König setzte sich, hörte ohne sichtbare Bewegung eine lange Anklage, in welcher er des heimlichen Einverständnisses mit Frankreichs Feinden beschuldigt ward, auch alle durch die Revolution herbeigeführten Unglücksfälle ihm zur Last gelegt wurden. Die Ruhe und Klarheit, womit der König seden Punkt der Anklage beantwortete, setzte selbst seine Feinde in Erstaunen. Hierauf wurde er unter den Drohungen und Beleidigungen desselben Gesindels, durch dessen Reihen er schon einmal gekommen war, in's Gefängniß zurück- gebracht und nunmehr von seinen theuren Unglücksgenossen, von seiner Ge- mahlin, Schwester und seinem Sohne, völlig getrennt. Nach des Königs Entfernung brach ein großer Lärm im Konvent aus. Die Jakobiner verlangten, man solle augenblicklich das Todesurtheil über den Tyrannen aussprechen und dasselbe noch in dieser Nacht an ihm vollziehen; allein die Girondisten setzten es durch, daß wenigstens die bei jedem Verbrecher üblichen Formen beobachtet würden. So wurde denn dem Könige erlaubt, sich einen Rath zu seiner Vertheidigung zu wählen. Ludwig's Wahl fiel auf den berühmten Rechtsgelehrten Tronchet, der keinen Augenblick mit der Annahme dieses gefährlichen Prozesses zögerte. Ein durch Talent und Rechtschaffenheit gleich ausgezeichneter Greis, Ma- lesherbes, ein königlicher Minister, bot dem Könige freiwillig seine Dienste an, und diese beiden Sachwalter wählten den jungen talentvollen Des eze zu ihrem Gehülfen. Jedoch gewann der König durch diese Vergünstiguug nichts, als den Trost, noch mit einigen edlen Männern zu verkehren in einem Augenblicke, wo keiner seiner Freunde, außer seinem treuen Kammer- diener Clery, sich ihm nahen durfte. Am 26. Dezember wurde der König nebst seinen Sachwaltern vor- geladen. Ehe sie in dem Sitzungssaal erscheinen konnten, mußten sie eine Zeit lang im Vorzimmer warten, sie gingen in demselben auf und ab. Ein Dcputirter, der vorüber ging, hörte gerade, daß Maleshcrbes in der Unterredung mit seinem Schützling sich der Worte! „Sire, Ew. Majestät!" bediente und fragte finster: „Was macht Sie so verwegen, hier Worte aus- zusprechen, die der Konvent geächtet hat?" — „Verachtung des Lebens!" antwortete der ehrwürdige Greis. — Endlich wurden sie in den Saal ge- lassen. Malesherbes konnte vor Rührung nicht sprechen, da trat der feu- rige Deseze auf und vertheidigte seinen König mit so bewundernswerther Kraft und Gewandtheit, daß Ludwig gerettet worden wäre, hätten die wil- den Jakobiner nicht längst seinen Tod beschlossen gehabt. Ludwig wurde wieder abgeführt und das Mordgeschrei der Jakobiner hallte im Saale wieder, an allen Thüren, an allen Fenstern, von der Gallerie herab wurde geschrieen: „Tod! Tod!" Ein Jakobiner, ein ehe- maliger Fleischer, verlangte sogar, den König in Stücke zu hauen und in jedes Departement ein Stück zu versenden. Der Kampf der Parteien über
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