1917 -
München
: Oldenbourg
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Auf der rechten Seite des svrrn beugt sich Iakobus der Ältere
vor Schrecken zurück, breitet die Arme aus, starrt, das Haupt nieder-
gebeugt, vor sich hin wie einer, der das Ungeheure, das er durchs Ohr
vernimmt, schon mit den Augen zu sehen glaubt. Thomas erscheint hinter
seiner Schulter und, sich dem Heiland nähernd, hebt er den Zeigefinger
der rechten Hand gegen die Stirn. Philippus, der dritte zu dieser Gruppe
Gehörige, ist aufgestanden, beugt sich gegen den Meister, legt die Hände
auf die Brust, mit großer Klarheit aussprechend: „Herr, ich bin's nicht!
Du weißt es! Du kennst mein reines Herz. Ich bin's nicht."
Und nunmehr geben uns die benachbarten drei letzten dieser Seite
neuen Stoff zur Betrachtung. Sie unterhalten sich untereinander über
das vernommene. Matthäus wendet mit eifriger Bewegung das Gesicht
links zu seinen beiden Genossen, die Hände hingegen streckt er mit
Schnelligkeit gegen den Meister und verbindet so seine Gruppe mit der
vorhergehenden. Thaddäus zeigt die heftigste Überraschung, Zweifel und
Argwohn; er hat die linke Hand offen auf den Tisch gelegt und die
rechte dergestalt erhoben, als stehe er im Begriffe mit ihrem Rücken in
die linke einzuschlagen, eine Bewegung, die man wohl noch von Natur-
menschen sieht, wenn sie bei unerwartetem Vorfall ausdrücken wollen:
„Hab' ich's nicht gesagt! Hab' ich's nicht immer vermutet!" — Simon sitzt
höchst würdig am Lude des Tisches, wir sehen daher dessen ganze Figur; er,
der älteste von allen, ist reich mit Falten bekleidet; Gesicht und Bewegung
Zeigen, er sei betroffen und nachdenkend, nicht erschüttert, kaum
bewegt.
Wenden wir nun die Augen auf das entgegengesetzte Tischende,
so sehen wir Bartholomäus, der auf dem rechten Fuße steht. Diesen mit
dem linken kreuzend, unterstützt er mit beiden ruhig auf den Tisch ge-
stemmten fänden seinen übergebogenen Körper. Gr horcht, wahrschein-
lich zu vernehmen, was Johannes vom Herrn erfragen wird; denn
überhaupt scheint die Anregung des Lieblingsjüngers von dieser ganzen
Seite auszugehen. Iakobus der Jüngere, neben und hinter Bartholo-
mäus, legt die linke Hand auf des Petrus Schulter, während Petrus mit
der seinen die Schulter des Johannes berührt, Iakobus mild nur Auf-
klärung verlangend, Petrus schon Rache fordernd. Und wie Petrus
hinter Judas, so greift Iakobus der Jüngere hinter Andreas her,
der als eine der bedeutendsten Figuren mit halbaufgehobenen Armen
die flachen Hände vorwärts zeigt als entschiedenen Ausdruck des Gut-
setzens, der in diesem Bilde nur einmal vorkommt.
Nach Iah. wolfg. v. Goethe.