1862 -
Hildburghausen
: Nonne
- Autor: Spiess, Moritz, Berlet, Bruno
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
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Mittlere Geschichte.
£tto I. der Große 936—973.
1. Krönung Otto des 6 Die Einheit des Reiches: Der Kampf mit seinem Bruder-
Heinrich. Sämmtliche Herzogthümer Lei den: Hanse Sachsen. 2. Siegreiche Kämpfe
mit den Slaven (Hermann Billung und Gero), Normannen, Böhmen, Ungarn. Otto's
Einfluß in Burgund und Frankreich. Italien: Berengar und Adelheid, erster Römer-
zug Otto's 951. Die Empörung Ludolf's und Konrad's 952—954. 3. Die Schlacht
auf dem Lechfelde 955. Der zweite Römerzug 961—965. Krönung zu Pavia. Otto
römischer Kaiser 962. Absetzung des Papstes 963. Kämpfe mit den Römern. 4. Die
slavischen Marken. Die Verbreitung des Christenthums bei Slaven, Normannen,
Böhmen, Polen und Ungarn. Der dritte Römerzug 966—972: Das Strafgericht in
Rom. Der Kampf in Unteritalien. Otto Ii. vermählt mit Theophauia. Die Reichs-
versammlung zu Quedlinburg 973. Tod Otto des I. zu Memleben 973. (Die Nach-
folger Otto des I. 973—1056.)
1. Treu dem Versprechen, welches die Fürsten dem König Heinrich
gegeben hatten, schritten sie zur Wahl seines Sohnes Otto, damals vier-
nndzwanzig Jahr alt. Zu Aachen versammelten sich die Großen des Reiches.
In der Säulenhalle, welche die Kaiserpfalz mit der Marienkirche verband,
erhoben sie Otto auf den Thron Karl's des Großen und er empfing von
ihnen durch Handschlag das Gelöbniß der Treue. In feierlichem Zuge begab
sich dann Otto, begleitet von den Herzögen, Grafen und Herren in die
Münsterkirche. An der Schwelle derselben empfing der Erzbischof von Mainz,
umgeben von den Erzbischöfen von Köln und Trier und andern hohen
Geistlichen den jungen König und führte ihn durch die dichtgedrängte Volks-
menge zu dem Altar. Hier lagen das Schwert mit dem Wehrgehenke, der
Königsmantel, die Armspangen, das Zepter und die Krone, die Zeichen der
königlichen Würde bereit. Otto wurde von dem Erzbischof mit diesen Reichs-
insignien geschmückt, dann salbte er ihn mit dem heiligen Oel und setzte
ihm die goldene Krone auf das Haupt. Alle drei Erzbischöfe führten hie-
rauf den Gekrönten zu dem zwischen Marmorsäulen erhöhten Throne und
der Gesang „Herr Gott Dich loben wir" (le voum laudamus) wurde an-
gestimmt. — Otto begab sich hierauf mit den Bischöfen und den Edlen in
den Palast Karls des Großen, wo an der königlich geschmückten Marmor-
tafel das Krönungsmahl gehalten wurde. Die Leitung des ganzen Festes,
die Einrichtung der Gemächer zur Aufnahme des Königs und der Großen
hatte der Herzog von Lothringen, in dessen Gebiet Aachen lag, über-
nommen; er war Erzkämmerer. Der Herzog von Franken sorgte als
Erztruchseß für die Speisen, der Herzog von Schwaben hatte das Amt
des Erzmundschenken und dem Herzog von Baiern, dem Erzmar-
schall *), war die Unterbringung der Ritter und ihrer Rosse übergeben. Von
nun an wurden diese Ehrenämter bei den Krönungsmahlen der deutschen
Könige üblich, um die höchste Herrlichkeit des Königs über alle Fürsten damit
darzuthun, welche ihn ans ihrer Mitte erwählten, da er zuvor ihres Glei-
chen war. — Wohl war Otto solcher hohen Ehren würdig. Er strebte den
*) Die Sylbe Erz-, von dem griechischen arcbi, bezeichnet das Ausgezeichnetste
in seiner Art, z. B. Erzengel, Erzbischof, Erzväter u. s. w. — Truchseß, von Truhe
und setzen, ist derjenige, der die Truhe, d. h. Schüssel, auf die Tafel setzt. — Mar-
schall," von March, d. h. Mähre, Roß, und Schalk, d. h. Knecht, Dienerest derjenige,
der für die Rosse sorgt.