1862 -
Hildburghausen
: Nonne
- Autor: Spiess, Moritz, Berlet, Bruno
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
122
Mittlere G eschichte.
4. Als nun Heinrich Oberitalien durchzog, fand er die Stimmung der
Lombarden ganz verändert, denn sie glaubten, ein König, der solche Demü-
thigung über sich habe ergehen lassen, sei der Krone unwürdig. Bald be-
reute er, daß er sich dem Papste unterworfen, schloß Verbindungen mit den
jw / Gegnern Gregors und als die deutschen Fürsten den Papst zu einer Ver-
sammlung nach Deutschland einluden, verweigerte ihm Heinrich das Geleite.
Da wählten seine Gegner in Deutschland den Herzog Rudolf von Schwa-
den zum König (1077). Heinrich verließ sogleich Italien, stand bald an
der Spitze eines bedeutenden Heeres in Baieru tind jagte die feindlichen
Streitkräfte aus Schwaben und Frauken bis nach Sachsen. Aber noch drei
Jahre mußte er um die Krone kämpfen. Endlich, im Jahre 1080, trafen
Heinrich lind fein Gegenkönig in einer entscheidenden Schlacht bei Mölsen*)
zusammen. Heinrich selbst kämpfte tapfer und ritterlich; dennoch neigte sich
der Sieg auf die Seite Rudolfs. Aber mitten im Schlachtgewühl traf die-
ser auf den Herzog von Niederlothringen Gottfried von Bouillon-), dem
Heinrich die Reichsfahne anvertraut hatte. Den Schaft derselben stieß Gott-
fried dem Gegenkönig in den Leib und schlug ihm mit dem Schwerte die
rechte Hand ab. So brachte man ihn halbtodt nach Merseburg. Als man
ihm seilte abgehauene Hand zeigte, rief er: „die ist es, mit der ich einst
Heinrich den Eid der Treue schwur!" Bald darauf starb er.
Heinrich, jetzt wieder alleiniger König von Deutschland, zog (1081)
nach Rom, den Papst zu züchtigen, der ihn (1080) von Neuem in den Bann
gethan hatte. Zwei Jahre nach einander erschien er vor Rom, um die Stadt
zur Uebergabe zu zwingen. Der Papst zog sich in die Engelsburg zurück;
die Römer öffneten die Thore und Heinrich ließ sich von dem Papste Kle-
meuz Iii., den er hatte wählen lassen, die Kaiserkrone aussetzen (1084). Die
Engelsburg ward eng eingeschlossen: bald aber nahte aus Gregor's Hilferuf
Robert Guiskard mit einem starken Heere von Normannen 2). Heinrich
mußte sich zurückziehen uitd ging nach Deutschland; Rom ward von deit
Normannen drei Tage lang furchtbar geplündert und ein großer Theil der
Stadt iit Asche gelegt. Den Papst Gregor brachte Robert nach Salerno*)
in Sicherheit, wo er im folgenden Jahre (1085) starb. Seine letzten Worte
waren: „Ich liebte die Gerechtigkeit und haßte das Unrecht, darum sterbe
ich in der Verbannung!"
5. Mit Gregor Vii. hatte Heinrich seinen Hauptfeind verloren; aber
die bitterste Kränkung war ihm für den Rest seines Lebens aufgespart: Im
Jahre 1093 empörte sich sein ältester Sohn Konrad und ließ sich zum Kö-
nige von Italien krönen. Dieser starb zwar 1101, allein des Kaisers zwei-
*) Mölsen, Dorf südlich von Merseburg in der Mark Thüringen, in der jetzigen
Provinz Sachsen. — Das Herzogthum Lothringen (S. 106. Anm.4.) war bereits
(9591 unter König Otto I. in das nördliche Oberlothringen und das südliche
Niederlothringen gethcilt worden. — Das Stammschloß Gottfricd's, im Mittel-
alter Bull io genannt, ist die jetzige Stadt Bouillon im belgischen Luxemburg.
Saterno, Stadt südöstlich von Neapel.
2) Die Normannen hatten sich seit Jahrhunderten in einzelnen Schwärmen
in verschiedenen Ländern angcsicdelt; in Frankreich seit 911, in England seit 1066
(S. 105. Anm. 2.) und in Unteritalien seit 1060, nachdem sie daselbst die letzten
Reste der griechischen Herrschaft vernichtet hatten.