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1. Preußischer Kinderfreund - S. 235

1859 - Königsberg : Bon
235 Mit großem Eifer suchte er der christlichen Kirche in seinem Reiche aufzu- helfen. Er selbst hatte tiefe Ehrfurcht vor dem Worte Gottes. Die Kirche besuchte er früh Morgens und Nachmittags und oft auch des Abends. Er sorgte, dass die Gemeinden tüchtige Geistliche und Bischöfe bekamen. Borträge älterer Kirchen- lehrer ließ er in's Deutsche übersetzen, damit dieselben dem Volke vorgelesen würden. Würdige, kenntnissreiche Männer zog er an seinen Hof. So berief er einen sehr gelehrten Mönch, Namens Alkuin und machte ihn zum Lehrer seiner eigenen Kinder. Ein guter Unterricht für seine Kinder lag ihm um so mehr am Herzen, als er selbst in seiner Jugend ganz vernachlässigt worden war- Selbst das Schreiben lernte er erst als Mann. Er hatte desshalb immer eine Schreibtasel unter seinem Kopfkissen, damit er in müssigen Stunden seine schwertgewohnte Hand im Führen der leichten Feder üben konnte. Aber denselben Eifer bewies er auch für die Unterweisung der Jugend überhaupt. Er errichtete am Hofe eine Musterschule für die übrigen Schulen im Lande, in welche alle seine Diener, hohe und niedere, ihre Kinder schicken mussten. Einmal trat er selbst in die Scbulstube, hörte eine Zeit lang zu und ließ sich dann die schriftlichen Arbeiten der Schüler zeigen. Die geschickten mussten alle auf seine rechte, die ungeschickten auf die linke Seite treten, und da fand es sich, dass die letztem meist die Söhne vornehmer Eltern waren. Er wandte sich zu den fleißigen Kindern und sagte: „Ich freue mich, meine lieben Kinder, dass ihr so gut einschlaget; bleibet dabei und werdet immer vollkommener. Ihr verfolget euer wahres Beste, und zu seiner Zeit soll auch mein Lohn nicht fehlen. Ihr aber — und hier wandte er sich zornig zur Linken — ihr Söhne der Edlen, ihr feinen Püppchen, die ihr euch so reich und vornehm dünket und des Wissens nicht noth zu haben meinet, ihr faulen, unnützen Buben, ich sage euch: bei Gott! euer Adel und eure hübschen Gesichter gelten Nichts bei mir; von mir habt ihr nichts Gutes zu hoffen, wenn ihr eure Faulheit durch eifrigen Fleiß nicht wieder gut machet!" Zur Verbesserung des Gesanges stellte Karl zwei gute Sänger aus Italien an, von denen Gesanglehrer und Vorsänger für Schulen und Kirchen gebildet werden sollten. Zudem wurde das Orgelspielen gelehrt, nachdem Karl die ersten Orgeln aus Konstantinopel erhalten hatte. Aber die plumpen Franken stellten sich eben so ungeschickt zum Singen als zum Spielen an. Zur Hebung des Verkehrs gedachte Karl die Donau und den Main durch einen Kanal zu verbinden. Die Ausführung dieses Planes ist aber erst in unsern Lagen gelungen. Es ist sehr anziehend, einen großen Mann auch in seinen geringen Beschäf- tigungen zu betrachten. Mit demselben Eifer führte Karl Heere an, hielt Schul- prüsungen ab, überlegte Gesetze für große Völker und, wenn er auf seine Güter kam, ließ er sich die Rechnungsbücher vorlegen, in welche Alles bis auf die Anzahl der Eier eingetragen sein musste, überzählte Einnahme und Ausgabe, rechnete seinen Verwaltern nach und mackte Bauanschläge. Im drei und dreißigsten Jahre seiner Regierung wurde er zum römischen Kaiser gekrönt. Vom Papste Leo Iii. war er angegangen durch Ruf und Bitte, der Schutzherr Roms zu sein. Er kam. Im Jahre 800 war Karl in Rom, wo er die gestörte Ordnung wieder hergestellt und den Papst in seiner Würde befestigt hatte. Am Weihnachtsfeste dieses Jahres, als Karl in der Peters- kirche dem Hochaltare gegenüber kniete, ging Leo plötzlich auf ihn zu, setzte ihm eine Krone auf das Haupt, und die Kirche wiederhallte von dem freudigen Zuruf des Volkes: „Leben und Sieg sei dem von Gott gekrönten, frommen, großen, sriedebringenden Kaiser von Rom!" tzvo wurde in Karl dem Großen die damals noch nicht erloschene Erinne- rung an die einstige Macht der römischen Kaiser wieder erweckt unter den Völkern, und es verblieb diese Würde bei den Kaisern Deutschlands über tausend Jahre bis zur Auflösung des deutschen Reichs im Jahre 1806.
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