1859 -
Königsberg
: Bon
- Autor: Preuß, August Eduard, Vetter, J. A.
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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da sie ist durch den Bann ihres Unterthaneneides entbunden waren; sondern auch
die verließen den aus der Kirche ausgestoßenen Kaiser, die er mit Wohlthaten
überhäuft hatte. Als endlich sogar die Fürsten zusammentraten und ihm droheten,
einen andern Kaiser zu wählen, wenn er sich nicht mit dem Papste versöhne; da
entschloss sich der Kaiser nach Italien zu reisen. Es war im Winter des Jahres
1077, als er mit seiner Gemahlin, mit seinem Söhnlein und einem kleinen Gefolge
die mühsame Pilgerfahrt antrat. Auf einem Umwege entzog er sich den ihm auf-
lauernden Feinden und schlug den Weg über die Seealpen nach Italien ein.
Hier auf den starren Eisfeldern- und Gletscherrücken war kein Schritt ohne Lebens-
gefahr; doch erreichte er endlich die Höhe des Gebirges. Aber noch größere Müh-
seligkeiten und Gefahren bot die andere Seite dar. Diese war so abschüssig, dass
man keinen festen Fuß fassen konnte. Auf Leben und Tod musste der Versuch
gemacht werden. Die Männer krochen auf Händen und Füßen; die Frauen wur-
den in Schläuchen von Ochsenhäuten an Seilen hinabgelassen. Mit beispielloser
Geduld bestand Heinrich alle Mühseligkeiten und Gefahren der Reise, um sich
nur wieder mit dem Papste auszusöhnen.
Gregor war bei Heinrichs Ankunft gerade auf seiner Reise zum Reichstage
nach Augsburg begriffen. Er erschrak, als er hörte, dev Kaiser sei im Anmarsche
und entwich in das feste Schloss Kanossa. Heinrich aber lehnte Hülfe, welche
die lombardischen Großen und Bischöfe gegen den herrschsüchtigen Papst ihm an-
boten, ab mit den Worten: „Ich bin nicht gekommen, zu kämpfen, sondern Buße
zu thun."
Sobald Heinrich in Kanossa anlangte, ließ er durch die Markgräfin
Mathilde, die Herrin des Schlosses, den Papst bitten, ihn vom Bannspruche zu
lösen; er wollte sich jeder Bußübung unterziehen, die der heilige Vater ihm auf-
erlegen würde. Seine Bitte ward ihm gewährt. Gregor verlangte, dass Hein-
rich im Büßerhemde vor ihm erscheine. Und der König von Deutschland
und Italien musste, nur mit einem wollenen Hemde angethan, entblößten Haup-
tes und barfuß im Schlosshofe auf des Papstes Entscheidung harren. Drei Tage
stand so der Unglückliche, ohne sich durch Speise und Trank zu erquicken. Die
Markgräfin und andere Freunde Gregors wurden durch das Weinen Heinrichs
so gerührt, dass sse unter Thränen Fürbitte beim Papste einlegten; ja, einige riefen
sogar, das sei mehr als apostolische Strenge, das sei tyrannenmäßige Grausamkeit.
Endlich am vierten Tage ließ der Papst den Büßenden vor sich kommen und sprach
ihn unter der Bedingung frei, dass er ruhig nach Deutschland gehe und sich aller
königlichen Gewalt entschlage, bis auf einem Reichstage entschieden sei, ob er
König bleiben solle oder nicht. — Einen so harten Bescheid hatte Heinrich doch
nicht erwartet. Mit Unwillen und Zorn im Herzen schied er von Gregor und
hat nachmals die Waffen gegen ihn nie mehr aus der Hand gelegt.
Der Streit über die Einsetzung der Geistlichen wurde aber erst nach fünfzig
Jahren des heftigsten Kampfes auf billige Weise beigelegt.
14. Der erste Kreuzzug.
Gegen die Mitte des vierten Jahrhunderts erklärte der römische Kaiser Kon-
stantin sich öffentlich für das Christenthum und lebte mitten unter Christen in
seiner neuen Hauptstadt Konstanunopel. Seit dieser Zeit wallfahrteten fromme
Pilger aller christlichen Länder einzeln und in Schaaren ungehindert nach Palästina,
um vornehmlich in Jerusalem und am heiligen Grabe zu beten und die
Vergebung ihrer Sünden zu erflehen. Auch nach Verdrängung der christlichen
Herrschaft durch die Araber störte man sie in ihrer Andacht nicht. Als aber die
Türken das heilige Grab in ihre Gewalt bekamen, wurden die Christen gemiss-
handelt und die heiligen Oerter beschimpft.
Da erschien 1094 Peter von Amiens, ein Einsiedler, der von einer Wall-
fahrt zum heiligen Grabe zurückkehrte, und durchzog Italien und Frankreich. Ab-
gezehrt von Hunger und langen Mühsalen, barfuß und mit entblößtem Haupte,
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