1859 -
Königsberg
: Bon
- Autor: Preuß, August Eduard, Vetter, J. A.
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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das Pilgergewand mit einem Stricke zusammengehalten, mit einem Kruzifix in der
Hand, ritt er auf einem Esel daher. Er predigte in Kirchen, auf den Straßen,
auf Kreuzwegen, und feine glühende Beredsamkeit verbreitete allgemeine Begeiste-
rung. Mit grellen Farben malte er die Noth der christlichen Pilger im gelobten
Lande. „Wie lange wollt ihr noch zaudern," sprach er, „den Heiden das heilige
Land zu entreißen? Sollen euch erst die Strafgerichte Gottes treffen? Sie werden
euch treffen, wenn ihr nicht Alles lasset, was ihr habt, und für Christum kämpft.
Ich verkündige euch Hunger und Pestilenz und die ewige Berdammniss, wenn ihr
nicht Weib und Kind, Haus und Hof, Burg und Stadt verlasset und hinziehet,
Christum zu befreien aus der Heiden Hand. Wohlan, streitet für ihn, dessen
Namen sie höhnen, und alle eure Sünden sind euch vergeben, ihr habt die ewige
Seligkeit, Frieden und Freude in Ewigkeit."
Als nun im November 1095 Papst Urban selber eine Kirchenversammlung
im südlichen Frankreich hielt und in gottinniger Rede zum Zuge gegen die Un-
gläubigen mahnte, da ries die ganze Versammlung: „Gott will es! Gott will
es!" Alle knieten nieder und erhielten den päpstlichen Segen. Bischöfe, Fürsten,
Ritter, freie Männer und Knechte hefteten sich ein rothes Kreuz auf die Schulter,
zum Zeichen, dass sie zu dem Zuge in's heilige Land bereit seien.
Zügellose Haufen, mit welchen Peter von Amiens und andere Führer schon
im Frühjahr 1096 aufbrachen, erreichten Palästina nicht; Hunger und Seuchen
und das Schwert der Türken hatten sie aufgerieben.
Im Herbste desselben Jahres machte sich ein wohlgeordnetes und gut ausge-
rüstetes Heer unter der Führung Gottfrieds von Bouillon auf den Weg.
Ueber 100,000 gepanzerte Reiter und 200,000 streitbare Männer zu Fuß hatten
sich zum Kreuzzuge zusammengefunden. Zweimal wurden die Türken geschlagen,
aber, von ihnen umschwärmt, kostete jede Tagereise Hunderten von Christen das
Leben. Die meisten starben vor Antiochia und in dieser Stadt nach ihrer Er-
oberung. Umlagert von zahllosen Türkenschaaren, sckien ihr Untergang gewiss. Da
stürzte ein Christenhäuflein aus der Stadt und trieb das ganze Türkenheer zur
Flucht. Nur 300 Ritter vollbrachten diese wunderbare That.
Nun auf nach Jerusalem! Am 6. Juni 1099 lag die heilige Stadt vor
ihnen. Alle riefen unter Thränen mit einer Stimme: Jerusalem! Jerusalem!
Alle Mühsale waren vergessen, und man schickt? sich zum Sturme an. Aber es
waren nur noch 20,000 streitbare Männer am Leben. Den ersten Sturm schlugen
die Türken ab. Es mangelten Mauerthürme, Wurfmaschinen und Sturmleitern;
das Holz dazu musste aus einem meilenweit entlegenen Wäldchen herbeigeschafft
werden. Alt und Jung, Vornehm und Gering, Alle legten Hand an, und in
kurzer Zeit war das Werk vollbracht. Aber, auch der zweite Sturm wurde abge-
schlagen. Kaum dämmerte der Morgen des folgenden Tages, so begann die Blut-
arbeit von Neuem. Mit Erbitterung und wachsender Wuth vertheidigten sich die
Türken. Töpfe mit brennendem Pech und Sckwefel, Steine, Balken, selbst Leich-
name wurden auf die Köpfe der Belagerer hinabgeschleudert. Sie weichen. Ein
Jubelrus der Türken erschallt. Da zeigt Gottfried von Bouillon nach dem
Oelberg hin. Eine Rimrgestalt erscheint dort in weißer Rüstung und schwingt
den hellstrahlenden Schild. „Seht da," so ruft er, „einen Cherub mit flammen-
dem Schwerte, den Gott zum Mitstreiter uns sendet!" — „Gott will es! Gott
will es!" — antwortet die Schaar der Christen, und mit wildem Ungestüm dringt
sie vorwärts. Gottfried erklimmt zuerst die Mauer; die Seinen folgen; Schaar
drängt sich auf Schaar, — und Jerusalem ist erobert.
Nun raffte der Würgengel des Todes fürchterlich durch das Kriegsschwert der
rachedürstigen Menge. 10,000 Feinde lagen in ihrem Blute. — Gottes Friedens-
enge! aber stand mit abgewandtem Gesicht und schaute gen Golgatha, wo der
Allversöhner sein Blut vergossen und gesprochen: Sie wissen nicht, was sie thun.
Ehe noch die Waffen ruhten, eilte Gottfried barfuß, ohne Helm und Panzer zum
heiligen Grabe, um dem Herrn für den errungenen Sieg zu danken. Nach dreien