1884 -
München
: Königl. Zentral-Schulbücher-Verl.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Protestantische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): evangelisch
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147. Die Oberpfalz.
ganges an vertikal gemessen, führt. In diesen Gängen nun,
seit zwanzig Jahren etwa gangbar, so daß sie der Besucher
leicht durchschreiten kann, wölben sich Grotten, größere und
kleinere, mit den verschiedenartigsten, sich noch immer ver-
größernden oder verändernden Tropfsteingebilden. Unaufhörlich
sickert der kalkhaltige Wassertropfen von der weißschimmernden
Decke und verlängert die tausendjährigen Zapfen und Trauben
der von derselben herabhängenden Stalaktiten. Und die von
unten nach oben strebenden Sänlchen der Stalagmiten wachsen
ebenfalls fort durch den Niederschlag des senkrecht herab-
fallenden Sintertropfens. Nach den Gestalten, welche die
Phantasie in den mannigfaltigen Gebilden erblickt, führen die
Grotten verschiedene Namen: Albrecht Dürergrvtte, Eisberge,
Adlergrotte, Orgelhöhle, Krystallpalast. Von besonderer
Schönheit sind die beiden letzteren. Wenn man über die
zierlichen Stalaktiten der Orgelhöhle mit einem Stäbchen
streicht, so ertönen sie leise wie ferner Orgelklang.
Eine besondere Eigentümlichkeit bildet das sogenannte
Windloch, eine schachtähnliche, aus einer Tiefe von 60 na ver-
tikal zutage tretende Öffnung. Durch dasselbe dringt ein mildes
Dämmerlicht in den östlichen Teil der Höhle. Wegen der
zeitweisen Ausströmung kalter Luft durch dieselbe legte ihr
das Volk den Namen Windloch bei. Dieses Windloch gab
auch Veranlassung zur Entdeckung der Höhle. Es stürzte
nämlich — ungefähr i. I. 1848 — durch dasselbe eine
geisteskranke Frau aus Krottensee in die Tiefe. Die zu
ihrer Rettung gemachten und auch gelungenen Versuche ver-
anlaßten weitere Forschungen in der geheimnisvollen Tiefe
und führten endlich die Entdeckung der Tropfsteinhöhle herbei.
Nach und nach erfolgte deren Gangbarmachung, welche dann
auch einen von Jahr zu Jahr sich vergrößernden Besuch bewirkte.
Am Grunde des Windloches wurden die Gebeine von
mehr als einem Dutzend Menschen, aufgeschichtet und mit
Schutt bedeckt, gefunden. Verschiedene Sagen sind hierüber
unter den Bewohnern der Umgegend verbreitet. Am wahr-
scheinlichsten lautet, daß sie die Überbleibsel im Kriege Ge-
töteter sind, welche nach vorhergängiger Beraubung durch
das Windloch in die Tiefe geworfen wurden. Für das
erstere sprechen die Spuren gewaltsamer Verletzungen der
Schädel, für das letztere der gänzliche Mangel an Überresten
von Kleidern oder Waffen. In einer kleinen Grotte, dem sog.
Beinhause, haben sie nun eine ungestörte Ruhestätte erhalten.