1884 -
München
: Königl. Zentral-Schulbücher-Verl.
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Protestantische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): evangelisch
237. Die Befreiung Wiens. 313
‘¿37. Die Befreiung Wiens.
Heute sind die östlichen Nachbarn des Königs von Ungarn
und Kaisers von Österreich sehr zufrieden, wenn man sie
in Ruhe lässt. In den Zeiten jedoch, aus denen ich erzähle,
waren sie seit länger als zweihundert Jahren die grimmigsten
Störenfriede und die Erzfeinde der Christen. Der Türke hätte
gerne das ganze Abendland erobert und unter die Herrschaft
des Halbmonds gebracht.
Von den Ungarn gegen Österreich zu Hilfe gerufen, traf
der kriegerische Grossvezier K a r a M ü’s t ä p h ä Veranstaltungen,
mit einem Heere gegen Österreich ins Feld zu rücken, wie
seit der Eroberung Konstantinopels keines gesehen worden
war. Zum Glücke fand Kaiser L e o p o 1 d I. an dem pol-
nischen Könige Johann Sobiesky einen tapferen Bundes-
genossen, an den deutschen Fürsten treue und rasche Helfer,
und an dem Herzog Karl von Lothringen, dem der
ländergierige Ludwig Xiv. von Frankreich sein deutsches
Reichsland genommen, einen trefflichen Führer für sein Heer.
So brach das Frühjahr 1683 an, ohne dass jedoch die
Rüstungen vollendet gewesen wären; aber die Türken, die
sonst erst gegen den Sommer ins Feld zu ziehen pflegten,
waren diesmal im Winter aufgebrochen, überschritten die
Grenze und zogen geraden Weges gegen Wien. Bestürzung
und Angst erfüllte die Stadt. Der Kaiser begab sich nach
Linz und viele Einwohner folgten dem Hofe. Die Zurück-
gebliebenen aber waffneten sich zur Gegenwehr. Das langsame
Vorrücken der Türken, die sich mit der Plünderung der Ort-
schaften und Schlösser aufhielten, ermöglichte es dem Herzoge
von Lothringen, 12 000 Mann in die Stadt zu werfen. Den»
türkischen Heere durfte er sich mit dem Reste seiner kleinen
Schar nicht in den Weg stellen; er zog daher seitwärts und
erwartete den polnischen König.
Graf Ernst Rüdiger von Stahremberg war zum
Befehlshaber der Stadt ernannt worden. Er war ein er-
fahrener Kriegsheld, zeigte sich wacker und rüstig und that
alles, Wien in der Eile so gut als möglich in Verteidigungs-
zustand zu setzen; wer nur arbeiten oder die Waffe führen
konnte, musste mithelfen. Am 14. Juni erschien der Vezier
mit seinem unermesslichen Heere vor der Stadt und breitete
sich in einem ungeheueren Halbkreise, der wohl eine Aus-
dehnung von 6 Stunden hatte, um dieselbe aus. Man rechnete
an 50000 Zelte, die die Türken aufgeschlagen. Bald ertönte
der Donner der Geschütze. Gemächlich eröffneten die Türken
verschiedene Laufgräben, die sie überdeckten und mit Sand-
säcken belegten, damit ihnen die Bomben und Granaten keinen
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