1878 -
München
: Oldenbourg
- Autor: Fischer, Gregor
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Fortbildungsschule, Sonntagsschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde?
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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34. Der Arbeitslohn.
Mit fortschreitender Kapitalansammlung wird im allgemeinen
die Arbeit begehrter. Der Lohn steigt. Der Lohn steigt oder
fällt zwar nicht mit der Größe des Kapitals überhaupt, das in
einem Lande vorhanden ist, sondern mit der Größe desjenigen
Teiles, der für die Produktion, für Unternehmungen herge-
geben wird.
Der Handarbeiter bietet als Mensch zwei Bestandteile
seiner Arbeitskraft dem Arbeitgeber an: zunächst seine Muskel-
kraft und dann seine geistigen Kräfte, welche jene leiten. In
Bezug auf die Körperkraft stehen die Arbeiter im ganzen nur
wenig aus einander, mehr dagegen durch ihre geistigen und
moralischen Eigenschaften. Wo Arbeiten vorherrschend nur
Körperkräfte erfordern, stehen auch die Löhne der Arbeiter nahe
einander gleich. Indessen macht sich selbst bei ganz gewöhn-
lichen Körperarbeiten der Einfluß des Verstandes und der
Methode bemerkbar. Ein schwacher Arbeiter, der darin geübt
ist, schwere Lasten zu heben und fortzuschaffen, besitzt Handgriffe
und Vorteile, wodurch er einem starken, jedoch weniger denkenden
überlegen ist. Sehr bedeutend macht sich die Fertigkeit und die
Intelligenz bei zusammengesetzten, schwierigen Arbeiten geltend.
Arbeiter mit diesen Eigenschaften sind gesuchter als solche mit
beschränkten Anlagen und Fertigkeiten und erhalten auch einen
weit höheren Lohn als diese.
Allein auch die sittlichen Eigenschaften des Arbeiters
sind von wesentlichem Einfluß auf seine Verwendung und seinen
Lohn. Dazu rechnet man vor allem Fleiß, Gewissenhaftigkeit
und Zuverlässigkeit, Eigenschaften, die jedem Arbeiter hoch an-
geschlagen werden. Die größte Wohlthat, welche Eltern ihren
Kindern erweisen können, ist die Erziehung zur Arbeitsamkeit
und zur treuen Erfüllung der Pflichten. Ein Arbeiter mit
diesen Eigenschaften meidet eine Gesellschaft, die ihn zu Trunk
und Spiel und einem liederlichen Leben verleiten könnte. Er
weicht jenen leichten Gesellen aus, welche nach Empfang ihres
Lohnes die Arbeit aussetzen und das Geld verprassen. Leicht-
sinnige Arbeiter dieser Art sind üble Erscheinungen. Sie
schaden sich selbst, indem sie allmählich an Leib und Seele zu-
grunde gehen; sie bringen den Arbeitgeber in Schaden und
geben den ordentlichen Arbeitern ein schlimmes Beispiel.