1885 -
München
: Oldenbourg
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Katholische Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
326 267. Von der Glaubensspaltung im 16. Jahrh, bis auf unsere Zeit.
die Priesterschaft an, um so, wenn der Hirt geschlagen, leichter
die Herde zu würgen. Mönche und Nonnen wurden aus ihren
friedlichen Wohnungen gewaltsam vertrieben, die Klöster geplün-
dert und zerstört.
Bald erging ein Blutedikt gegen alle ihrem Amte getreuen
Priester. Wo man einen von ihnen entdeckte, warf man ihn
ins Gefängnis, oder knüpfte ihn ohne Umstände an dem nächsten
Laternenpfahle auf. Die christliche Zeitrechnuug wurde aufge-
hoben, die Feier der Sonn- und Festtage abgeschafft, die Kirchen
wurden entweiht und verwüstet. Alles, was ans Christentum
erinnerte, wurde vernichtet. Der Tollsinn der Menschen ging
endlich so weit, die Vernunft als Gottheit auszurufen, ein Schand-
weib als Sinnbild derselben auf einem Triumphwagen in die
Hauptkirche zu führen, dort auf den Hochaltar an die Stelle des
Gekreuzigten zu setzen und ihr zu Ehren Üieder zu singen. Mit
derreligion lvar auch Ordnung, Wohlfahrt und öffentliche Sicher-
heit dahin; selbst der Thron ward umgestürzt und zertrümmert!
Der fromme und wohlwollende, aber nur zu gutmütige König
Ludwig Xvi. wurde enthauptet (i. I. 1793), nach ihm seine
Gemahlin und seine Schwester.
Zwei Jahre hindurch war Frankreich der Schauplatz der
furchtbarsten Greuelthaten. von denen die Geschichte kein Bei-
spiel mehr aufzuweisen hat. In Strömen floß das Blut.
Weder Alter noch Geschlecht schützte gegen die Wut der Un-
menschen. In der Bendee wurden 500 Kinder, von denen das
älteste 14 Jahre zählte, haufenweise erschossen, weil ihre Väter
Gott und dem Könige treu blieben. Die Gesamtzahl der in
dieser Schreckeuszeit Ermordeten wird von einigen auf zwei
Millionen angegeben. Und dieses alles geschah unter dem Vor-
wände. das Wohl der Menschheit zu befördern.
Endlich zitterten die blutgierigen Gewalthaber für ihr eigenes
Leben; um der völligen Gesetzlosigkeit zu steuern, ließen sie feier-
lich verkünden, die Nation solle wieder an Gott und die Un-
sterblichkeit der Seele glauben. Im Jahre 1799 riß Napoleon
als erster Konsul die höchste Gewalt an sich; aber er getraute
sich nicht, ein Volk ohne Religion zu regieren. Deshalb stellte
er den Gottesdienst wieder her und schloß mit dem Papste (1801)
einen feierlichen Vertrag ab. Doch nicht von Dauer war dieser
Friede der Kirche. Napoleon, vom Glück verblendet, machte
Forderungen an das Oberhaupt der Kirche, welche dessen Zu-
stimmung nicht erhalten konnten. Die französischen Truppen
besetzten Rom, und Papst Pius Vii. wurde gefangen fortge-
führt (1809). Wie aber Gott schon zehn Jahre früher seine
Kirche sichtbar beschützt hatte, als Papst Pius Vi. in fran-
zösischer Gefangenschaft gestorben lvar, so entzog er ihr auch
jetzt seine Gnade nicht. Napoleon wurde von den verbündeten
Mächten überwunden und seiner Herrschaft entsetzt; der Papst