1875 -
München
: Oldenbourg
- Autor: Fischer, Gregor
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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5. Das Münchner Okloberfest.
5. I>as Münchner Mloöerfest.
1. Als am 12. Oktober 1810, dem Geburtstage des Königs
Max I., dessen Sohn, Kronprinz Ludwig, mit der Prinzessin
Therese von Sachsen-Altenburg sich vermählte, da wollte die
zetreue Stadt München ihre Teilnahme an diesem Ereignisse
durch ein großes Volksfest bekunden. Ein Pferderennen, von
jeher das beliebteste Volksvergnügen des Altbayern, sollte den
Glanzpunkt des Festes bilden. Der 17. Oktober wurde als Tag
der Festfeier bestimmt.
2. Die Einladung zur Teilnahme fand im ganzen Lande
freudigen Anklang. Das Landvolk strömte aus allen Gegenden
der Hauptstadt zu; die Nationalgarden von München, Augsburg
und Straubing riickten am festgesetzten Tage mit klingendem
Spiel und wehenden Fahnen auf die „Theresienwiese" im Süd-
westen der Stadt. Junge Paare aus allen Landesteilen legten
die besten Erzeugnisse der Heimat den Neuvermählten zu Füßen.
Dann fand das Pferderennen im Angesichte des Hofes statt.
3. Dies war das erste Oktoberfest; dasselbe hatte so
großen Beifall gefunden, daß man beschloß, es solle alljährlich
ein solches Volksfest begangen werden, bei welchem die besten
landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Königreichs zur Ausstellung
gebracht würden. Der landwirtschaftliche Verein setzte Preise
aus für musterhafte Erzeugnisse des Ackerbaues, für Obstbau,
Bienenzucht, für die schönsten Pferde, Rinder und Schafe.
Und so ist es noch heute.
4. Es ist der erste Sonntag im Oktober. Alle Gasthöfe
der Hauptstadt sind von Fremden gefüllt; der größte Teil der
Geschäfte ruht für eine Woche. Auf den Straßen herrscht ein
burles Treiben. Schon früh strömen endlose Züge aus allen
Teilen der Stadt zum Sendlingerthore hinaus nach der
Theresienwiese. Die Wiese ist festlich geschmückt. Hohe Masten
tragen Flaggen in den Farben des Landes und der Hauptstadt.
Blnuweiße Fahnen bezeichnen die eiförmige Rennbahn, in deren
Mitte ein längliches Rechteck, von Bretterbuden umgeben, offen
gehalten ist, um allen hungrigen und durstigen Seelen zu dienen.
5. In der Mitte der allmählich ansteigenden Höhe, welche
die Theresienwiese fast halbkreisförmig umgibt, ist ein großes
Zelt für die königliche Familie errichtet; gegenüber erheben sich
Tribünen für vornehmere Zuschauer und für Musikchöre. Auf
der Wiese lustwandeln die Frauen und Mädchen in der Landes-
tracht. Von der Höhe blickt das eherne Standbild der Bavaria
auf das bunte Getümmel ihrer Kinder herab. Nachmittags
2 Uhr beginnt das Fest. Kanonendonner verkündet die An-