1916 -
Mannheim [u.a.]
: Bensheimer
- Autor: Wolf, Joh., Erb, G., Lorch, Hermann
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Verfassung. Ursprünglich wurden die Städte nur von den sog.
Geschlechtern oder Patriziern verwaltet. Es waren dies die Nach-
kommen jener Bauern, die einst Heinrich durch das Los in die Städte
berufen hatte. Viele von ihnen waren zu großem Wohlstände gelangt.
Die Patrizier allein konnten Richter oder Schöppen sein und im Rate
sitzen. Allmählich arbeiteten sich aber die Gemeinen, d. h. die hand-
werktreibenden Bürger empor. In jahrhundertelangen Kämpfen er-
oberten sie sich in den meisten Städten Sitz und Stimme im Rat. Der
Vogt oder Burggraf wohnte gewöhnlich auf einer Burg. Er hatte
als Beamter des Landesherrn die Pflicht Gericht zu halten. Vor
allem mußte er die Rechte seines Herrn gegenüber den Städtern wahren.
Im Kriegsfälle bot er den Heerbann auf. Die Städte, die keinen
andern Herrn über sich hatten als den Kaiser, waren Reichsstädte.
Ihnen gewährten die oft in Geldnot befindlichen Kaiser im Laufe der
Leit große Freiheiten und Rechte.
Zunftwesen. Im Kampfe gegen die Patrizier schlossen sich die
Handwerker zu sogenannten Innungen, Einigungen oder Zünften
Zusammen. Jeder Gewerbestand bildete eine besondere Zunft oder
Gilde. So gab es eine Bäcker-, Brauer-, Gerber-, Färber-, Schneider-
innung usw. Jede derselben hatte einen Meister zum Vorstand und
übte besondere Bräuche. Die Jnnungsgenossen wohnten meist in der-
selben Gasse, besuchten dieselbe Herberge und kämpften, nach Gilden
gesondert, im Heer der Stadt unter einer Fahne mit besonderen Ab-
zeichen. Der Zunft gehörten Meister, Geselle und Lehrling an. Wegen
der-strengen Zucht, die jede Innung unter ihren Gliedern übte, war
der Handwerker in jener Zeit sehr geachtet. So mag damals das Wort
entstanden sein: „Handwerk hat einen goldenen Boden".
Kunst. Unter den Künsten gedieh besonders die B a u k u n ft.
Der Speyerer Dom, der im romanischen oder Rundbogenstil erbaut ist,
und die im gotischen oder Spitzbogenstil sich erhebenden Dome zu Köln
und Straßbnrg sind Schöpfungen großer Baumeister des Mittelalters.
In der Gold- und Waffenschmiedekunst leisteten die Innungen
Hervorragendes. Auch pflegten sie, nachdem der höfische Minnegesang
der Ritter verstummt war, die Dichtkunst. Meistersänger nannte
man diese dichtenden und singenden Handwerker, deren berühmtester
oer Nürnberger Schuhmacher Hans Sachs ist. Als Maler schuf sich
Albrechtdürer unsterblichen Ruhm.
Handel und Verkehr. Wie sich in den Städten das Gewerbe
entwickelte, so stieg hier auch der Handel gegen Ende des Mittelalters
auf eine hohe Stufe. Im Norden blühte der Seehandel, während die
süddeutschen Städte, wie Augsburg, Nürnberg und Salzburg regen
Verkehr mit Italien unterhielten. Lange Saumtierzüge brachten die
Erzeugnisse Indiens und der Mittelmeerländer über die Alpenpässe
nach Deutschland. Zu den großen Märkten in den Städten strömte das
Volk aus dem ganzen umliegenden Land herbei und die Frankfurter
und Leipziger Messe waren bis ins vorige Jahrhundert berühmt.
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