1883 -
Berlin
: Hofmann
- Autor: Polack, Friedrich
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Volksschule, Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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4. Der französische Krieg (1870—71). a. Veranlassung. Der fran-
zösische Kriegsruhm war vor dem preußischen erbleicht, und das ließ die eiteln
Franzosen nicht zur Ruhe kommen. Der gefährliche Nachbar sollte gcdemütigt
werden. Die Gelegenheit dazu wurde vom Zaune gebrochen. Die Spanier
hatten ihre sittenlose Königin verjagt und den Prinzen Leopold von Hohen-
zollern-Sigmaringen einen entfernten Verwandten unseres Königshauses,
zum Throne berufen. Da tobten die Franzosen: „Auch in Spanien ein
Hohenzoller? Nimmermehr!" und verlangten, König Wilhelm solle dem
Prinzen die Annahme der Krone untersagen. Der König erwiderte, er habe
dazu kein Reicht; Leopold aber verzichtete selbst auf die Krone. Trotzdem
forderte Napoleon durch seinen Gesandten Bcnedetti, der König solle in
einem Briefe versprechen, nie einen Hohenzoller auf den spanischen Thron
zu lassen. Da der Gesandte in zudringlicher Weise den König in Bad
Ems belästigte, so ließ ihn dieser mit den Worten abweisen: „Er habe
ihm nichts mehr zu sagen!" Da hallte ein Wnt- und Nacheschrei durch
ganz Frankreich, und „Krieg!" „Krieg!" lärmte es in den Straßen und
Palästen. Man träumte von Sieg und Ruhm und prahlte von dem „Spazier-
gange nach Berlin;" hatte doch der Kriegsminister „Le Boeuf“ (spr. lö Böf)
versichert, daß die Rüstungen bis auf den letzten Knopf vollendet seien. Der
greise König aber zog heim nach Berlin, umrauscht von dem. Beifall und der
Liebe seines Volkes in den alten und neuen Provinzen. Überall schlug die
Begeisterung in hellen Flammen ans, erklang die „Wacht am Rhein," eilten
die Männer aus Palästen und aus Hütten, aus der Nähe und der weitesten
Ferne zu den Fahnen und arbeitete Jung und Alt wie 1813 für die Pflege
der Verwundeten. Begeistert reichte Süddeutschland dem Norden die
Bruderhand. Tag und Nacht arbeitete der König mit Bismarck, dem
ehernen Manne von Rat und That, mit Moltke, dem kundigen Schlachten-
denker, mit Noon, dem Kriegsminister und des Königs „treuem Korporal." In
14 Tagen standen 400000 Mann an der französischen Grenze.
b. Der Einmarsch in Feindesland. Die I. Armee führte der alte
Steinmetz durch die Rheinprovinz, die Ii. Friedrich Karl durch die
Pfalz, und die Iii. mit den süddeutschen Truppen der Kronprinz Friedrich
Wilhelm durch Baden und Elsaß dem Feinde entgegen. Oberfcldherr war
der König selbst. Der Kronprinz eröffnete den Siegesreigen ohne gleichen
durch den Sieg bei Weißenburg am 4. August. Die Stadt wurde er-
stürmt, der dahinter liegende Geisberg mit Todesverachtung erstiegen und der
Feind in die Flucht geschlagen. Am 6. erfocht die Armee des Kronprinzen den
glänzenden Sieg bei Wörth über den Marschall Mac Mahon. Es war
ein furchtbarer Kampf, in dein von allen Seiten mit der größten Tapferkeit
gestritten wurde, am hartnäckigsten in den Weinbergen, die Schritt vor Schritt
mit Blut erkauft werden mußten. Brennende Dörfer, zersplitterte Bäume,
Tote und Verwundete, Tornister und Gewehre, umgestürzte Wagen und Ka-
,tonen wie gesäet auf den Feldern, fliehende Nothosen von "^deutschen
Reitern gejagt, das war das Bild am Abend des heißen Tages! Unter den
6000 Gefangenen waren auch viele schwarze Turkos aus Afrika und unter
der Beute 6 Kugelspritzen. An demselben Tage erkletterten die Tapfern der
Steinmetz'schen Armee mit Todesverachtung die für uneinnehmbar gehaltenen
Spichercr Höhen und zwangen die Franzosen zum Rückzüge.
c. Die Kämpfe um Metz (14., 16. und 18. August). Napoleon
übergab Bazaine (spr. Vasähn) den Oberbefehl. Dieser zog sich auf die ge-
waltige Festung Metz zurück und wollte sich mit Mac Mahon im Westen