1910 -
Breslau
: Dülfer
- Autor: Jahn, Ernst
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch, Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerseminar
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
4 Kolonisation Ostdeutschlands und Vorgeschichte Brandenburg-Preußens.
Kirche durchaus unabhängigen nationalen Kirche schaffen ließen. Da unter-
lag dieses neue slawische Großreich dem Angriffe der mit König Arnulf von
Kärnten verbündeten Awaren, welche durch ihre Ansiedlung in Ungarn die
nördlichen und südlichen Slawen voneinander trennten.
„Noch heute bedeutet das nationale Dasein der Magyaren den lautesten
Protest gegen den Gedanken eines slawischen Universalreiches." (Lamprecht.)
6. Der letzte Versuch des Slawentums, ganz Ostdeutschland zum Bestand-
teile eines slawischen Großreiches zu machen, ging von den Polen aus. Um
das Jahr 1000 begann der mächtige Polenherzog Boleslaw Chrobry mit
anfänglichem Erfolge seine Herrschaft über die benachbarten Wenden, Pommern
und Tschechen auszudehnen. Wenn aber schon dieser gewaltige Fürst der
Hindernisse nicht Herr zu werden vermochte, die der Verwirklichung seiner
Pläne durch die energischen Angriffe Kaiser Heinrichs Ii. und durch die Feind-
schaft des Liutizenbundes und der Russen entgegengestellt wurden (vgl. I. Tl.
§ 20), so gelang es seinen unbedeutenderen Nachfolgern gegenüber der ge-
waltigen Machtstellung des salischen und staufischen Kaisertums nicht einmal,
die politische Selbständigkeit des Polenreiches zu behaupten.
4. In sozialer Beziehung galt für die Slawen ebenso wie
bei den Germanen anfänglich der Grundsatz der Gleichordnung
aller männlichen Mitglieder des Geschlechterstaates. „Ursprünglich
haben sie den Unterschied von Ständen nicht, sie sitzen in kleinen Dorf- und
Stammgemeinschaften unter gewählten Ältesten." (Droysen.) Erst nach dem
Aufkommen fürstlicher Gewalten, die sich der weiten zwischen den Gebieten der
einzelnen Geschlechtsverbände liegenden Ländereien bemächtigten, entstand eine
Schicht halbfreier oder höriger Elemente. Dem ausgedehnten Grundbesitze
der fürstlichen Geschlechter „strömten nunmehr jüngere Söhne der Familien-
dörfer, Abenteurer, schließlich auch deutsche Siedler zu. Sie traten damit in
den ersten Jahrhunderten durchaus in die Gewalt der Ältesten, sie wurden
fürstliche Hörige; neben den Altfreien der Geschlechtsdörfer erwuchs ein zahl-
reicher Stand halbfreier Männer". (Lamprecht.)
5. Das wirtschaftliche Leben der Slawen charakterisiert sich
ursprünglich durch rein kommunistische Formen. Sippen- und ge-
schlechterweise hatten sich die Einwanderer in dem östlichen Deutschland ange-
siedelt; „jede Familie oder Sippe bildete unter dem Geschlechtsältesten (Zupan,
Starost) ein besonderes Dorf, dessen Höfe im Kreisrund oder in einer breiten
Gasse, mit dem Blick auf den inneren Raum erbaut wurden. Ihre Insassen
lebten anfangs im vollen Kommunismus der ländlichen Arbeitsmühen und des
Ertrages; erst die Urenkel, die Nachkommen der dritten Generation des ur-
sprünglich besiedelnden Ältesten, pflegten zu teilen und nach der Zahl ihrer
Großväter neue, kleinere Kommunionen zu begründen, die sich dann in den
kommenden Geschlechtern unter immer weiteren Teilungen forterbten. Es war
ein Leben, das sich aufs engste an die natürlichen Bedingungen der Erzeugung
und Verwandtschaft anknüpfte; soweit es öffentliche Interessen kannte, waren
diese an das Geschlecht gebunden; die Einheit ward hergestellt durch die ab-
solute patriarchalische Gewalt des jeweiligen Ältesten". (Lamprecht.)
In der Bodenkultur standen die Slawen jedenfalls hinter ihren
germanischen Nachbarn weit zurück; ihre mit Kühen bespannten Hakenpflüge
vermochten nur leichtere Böden zu bearbeiten, während Urwald, Bruch und
Moor unbebaut liegen blieben. Zwischen den einzelnen slawischen Siedlungen