1910 -
Breslau
: Dülfer
- Autor: Jahn, Ernst
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch, Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerseminar
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
18 Kolonisation Ostdeutschlands und Vorgeschichte Brandenburg-Preußens.
unteren Weser durch Holländer und Flamen in Angriff genommen worden war, hatten
sich — anfänglich ebenfalls Niederländer — später niedersächsische Kolonisten der
Kultivierung der linkselbischen Slawenländer erfolgreich angenommen.
Die Germanisierung der unteren Elbgebiete ging vom Norden, von Holstein,
aus. Hier hatte Graf Adolf Ii. (von Schauenburg) ums Jahr das Land wagrien
erobert und dessen slawische Bevölkerung fast völlig ausgerottet. Die Aufrufe des
Grafen Adolf und die durch sie verursachten Auswandererzüge nach dem ehemaligen
Wendenlande muffen schon den Zeitgenossen als Ereignisse von nationaler Bedeutung
erschienen fein. Denn die Slawenchronik Helmolds erwähnt ihrer mit allen Anzeichen
beginnenden Verständnisses für die Großartigkeit des Kolonisationswerkes im Slawen-
lande. Die niederländischen und sächsischen Einwanderer besiedelten das platte Land,
indem sie sich in zahlreichen kleinen Dörfern niederließen. Mehrere solcher Dörfer
(bis zu zwölf) schloffen sich zu größeren bäuerlichen Rechtsgemeinschaften (Kirch-
spielen) zusammen. Durch die Gründung der Stadt Lübeck, die sich in kurzer Zeit zur
kommerziellen Beherrscherin der Ostseeländer aufschwang, ward auch die städtische
Kultur des deutschen Bürgertums nach dem ehemaligen Slawenlande verpflanzt.
„Gleichzeitig ward das Land in agrarischer, industrieller und kommerzieller Hinsicht
erschlossen, wie es den Anforderungen der heimischen, deutschen Kultur entsprach;
niemals fehlte dem deutschen Bauer des Kolonialbodens das Absatzgebiet, niemals
dem Bürger der starke Rückhalt des kriegerisch und wirtschaftlich schützenden Landes:
von vornherein war die volle Einsicht in die Daseinsbedingungen eines
germanischen Ostens klar geworden." (Lamprecht.)
Im westlichen Mecklenburg machte Heinrich der Löwe durch rücksichtslose
Vernichtung des slawischen volkstu,ns der Germanisation freie Bahn. In Schwerin
erstand der eifrigst geförderten Ansiedlung westfälisch-niedersächsischer Landbevölkerung
ein städtischer Mittelpunkt. Bereits am Anfang des j3. Jahrhunderts konnte das
westliche Mecklenburg als ein durchaus deutsches Land gelten.
1. Das Geschlecht der Askanier beabsichtigte, sich aus den
gewonnenen und noch zu erwerbenden slawischen Gebieten einen
Ersatz für das seinem Hause einstweilen verlorne sächsische Herzog-
tum zu schaffen. Die bloße militärische und kirchliche Okkupation des
Slawenlandes aber konnte diesem Zwecke nicht genügen; denn solange die
überwiegende Masse der Bevölkerung slawisch und der Landesherr auf die
spärlichen Erträgnisse slawischer Landeskultur angewiesen blieb, konnte von
einer wohlgefestigten Herrschaft des fürstlichen Hauses nicht die Rede sein. Es
blieb nichts übrig, als den Neubau eines Territoriums zu beginnen, dessen
deutsch charakterisierte Bevölkerungsmajorität an dem Fortbestehen der deutschen
Landesherrschaft interessiert war.
2. Welches war nun das Schicksal der ansässigen wendischen
Volkselemente?
a. Während Heinrich der Löwe im westlichen Mecklenburg die slawische
Bevölkerung schonungslos vernichtet hatte, konnte Albrecht der Bär schon aus
dem Grunde nicht so radikal Vorgehen, weil seine Gebiete zum Teil friedliche
Erwerbungen waren, und so gestaltete sich denn das Los der slawischen Ein-
wohner der Manischen Gebiete im allgemeinen keineswegs so ungünstig wie
in Mecklenburg und Ostholstein. Die im Lande ansässigen slawischen Lehns-
leute polnischer und pommerscher Fürsten, deren Wohnsitze im Bereich askanischer
Eroberungen lagen, sind wahrscheinlich größtenteils zu ihrem Lehnsherrn zurück-
gekehrt, nachdenk sie angemessene Entschädigungen für ihre bisherigen Lehen
erhalten hatten. Die Masse der unfreien slawischen Bevölkerung dagegen
wurde den neu augesiedelten deutschen Lehnsträgern zur Bestellung ihrer Lehns-