1910 -
Breslau
: Dülfer
- Autor: Jahn, Ernst
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch, Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerseminar
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
166 Vom Tode Friedrichs des Großen bis zum Ende der Freiheitskriege.
aus: seine Ideale waren Selbstverwaltung und konstitutionelle Monarchie.
Aber er hielt dabei als Ziel sür die praktische und inhaltliche Betätigung
dieser neuen Formen vielfach die Ideale der Aufklärung fest, nur daß er sie
prinzipieller faßte und möglichst stark ausweitete: Freiheit der wirtschaftlichen
und geistigen Bewegung der Persönlichkeit war deshalb sein Ideal und Frei-
heit darum des Eigentumserwerbs, der landwirtschaftlichen, industriellen und
kommerziellen Berufe, Freiheit des Gewissens und der Meinungsäußerung so-
wie Liquidation des alten Staates, soweit er dieser Freiheit entgegenstand.
Waren dies die grundsätzlichen Zusammenhänge und Forderungen, so
traten ihnen in dem konkreten Bilde der mannigfachen, auf dem Boden des
politischen Klassizismus verlaufenden Strömungen doch sehr verschiedenartige
Zusätze hinzu. Die Anfänge waren auch hier noch verhältnismäßig radikal;
während die Entwicklung einer kräftigen Selbstverwaltung und eines auf ihr
aufgebauten konstitutionellen Staatswesens notwendig zu starken staatlichen
Eigenpersönlichkeiten und damit zu Staaten mit dem Bedürfnis der Macht-
entfaltung auch nach außen hin führen muß, wollte Wilhelm von Humboldt,
einer der frühesten Vertreter des politischen Klassizismus, in seinem Versuche,
die Grenzen der staatlichen Wirksamkeit zu bestimmen, den Staat noch auf
Funktionen beschränken, die kaum etwas anderes als das innere Staatsleben
ins Auge faßten und auch auf diesem Gebiete wiederum dem Staate keine
andere Rolle zuwiesen als die der ordnungstiftendeu, segensreichen Himmels-
tochter, um die Umschreibung Schillers, die des Ruhe kündenden Nachtwächters,
um die Charakteristik späterer Zeiten anzuwenden. Freilich: bald erhoben sich
ganz andere Ideale, vorbereitet durch die Schriften Mösers, klar erkannt be-
sonders von den Männern, denen die Wiedergeburt Preußens im ersten und
zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts verdankt ward, vor allem vom Frei-
herrn vom Stein. Es waren Ideale, die zum großen Teile im Anschluß an
die geschichtliche Vergangenheit der Nation vor den Zeiten der Aufklärung
entwickelt worden waren. . . . Ideale, die zeitig durch das Eindringen fremder
Lehren, des Physiokratismus, des Jndustriesystems Adam Smiths, der Er-
fahrungen und Errungenschaften der französischen Revolution an Klarheit und
Zusammenhalt gewonnen hatten. Es war die Richtung des Klassizismus, die
besonders fruchtbar wurde; aus ihr vor allem ist das Preußen der Jahre
1806 bis 1848 hervorgegangen, jenes Preußen neuer Freiheiten und ziemlich
entfalteter Selbstverwaltung, auf das dann das Preußen der konstitutionellen
Monarchie, das Preußen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts folgen
konnte." (Lamprecht a. a. O. Ii. Ergänzgsbd.p)
§ 16. Der Niedergang Preußens unter Friedrich Wilhelm Ii.
(Nach Hausier, Treitschke und Lamprecht.)
Schon unter dem ersten Nachfolger Friedrichs des Großen
begann in Preußen eine Periode vornehmlich inneren Verfalls,
welche den gänzlichen Zusammenbruch des Staates vorbereitete.
I. Nach dem Tode Friedrichs des Großen befand sich der
preußische Staat in einer Lage, die eine völlige Neuordnung des *)
*) Genaueres über die Ausgestaltung der subjektivistischen Kultur in Weltanschauung,
Religion, Literatur und Kunst s. Lamprecht a. a. O. Viii. Bd. 1. und 2. Hälfte.