1910 -
Breslau
: Dülfer
- Autor: Jahn, Ernst
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch, Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerseminar
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
176 Vom Tode Friedrichs des Großen bis zum Ende der Freiheitskriege.
6. Die ärgste Mißwirtschaft herrschte auf dem Gebiete des Steuerwesens.
War schon die Höhe der Steuern für die große Masse der wirtschaftlich schwachen
bäuerlichen Bevölkerung derart unerschwinglich, daß das ganze Steuerwesen als
ein raffiniertes Erpressungssystem bezeichnet werden muß/) so lief die Art der
Steuererhebung geradezu darauf hinaus, allen Wohlstand zu vernichten. Die
indirekten Steuern waren an Finanzgesellschaften verpachtet, die bei der Er-
hebung der Abgaben sich ungestraft die ärgsten Erpressungen erlaubten. Die
direkten Steuern wurden für die einzelnen Provinzen quotisiert und innerhalb
derselben ganz willkürlich auf die einzelnen Gemeinden verteilt. Mit der Ein-
ziehung der Steuern wurden die wohlhabendsten Mitglieder der Gemeinden
beauftragt; sie hafteten mit ihrem Vermögen für den Eingang der vollen
Summe, und so wurden nach und nach fast alle besser Situierten an den
Bettelstab gebracht.
d. Verwaltung und Gerichtsbarkeit waren ungetrennt. In jeder
Provinz gab es einen königlichen Beamten, den Intendanten, der ganz will-
kürlich in die Verwaltung und Rechtsprechung einzugreifen befugt war und
z. B. Prozesse jederzeit den zuständigen Gerichtshöfen (Parlamenten) entziehen
und seiner eigenen Entscheidung unterwerfen durfte.
6. Von einer staatlichen Wohlfahrtspflege war kaum die Rede. Das
Unterrichtswesen lag gänzlich in den Händen der Jesuiten, die Armenpflege
blieb der Kirche überlassen. Wege- und Brückenbauten wurden auf Kosten des
Landvolkes ausgeführt.
f. Die Beschaffenheit des Heeres war eine derartige, daß die
Armee in der Revolutionszeit der Monarchie keinen Schutz zu bieten vermochte.
Zwischen den adligen Offizieren und den gemeinen Soldaten bestand
keinerlei Vertrauensverhältnis. Die Offiziere entzogen den Mannschaften Sold
und Verpflegung, um sich zu bereichern/) blickten mit unendlicher Verachtung
auf die stets zu Aufruhr geneigte „Canaille" herab und waren ihren Unter-
gebenen meist tödlich verhaßt.
3. Gegenüber diesen Zuständen jämmerlichster Mißwirtschaft mußten die
meist radikalen Ideen der aufklärerischen Philosophen und Schrift-
steller, welche gegen die staatlichen und kirchlichen Einrichtungen auf das
lebhafteste opponierten, von ungeheurer Wirkung sein. Wenn auch bei der
Strenge der Zensur von einem Einfluß dieser geistigen Bewegung auf die
Massen zunächst noch nicht die Rede sein konnte, so wurde doch die Theorie
der Révolution fast zum Gemeingut der Gebildeten. Die privilegierten Stände,
die abwechselnd mit der Krone verbündet waren und mit ihr in Widerspruch
standen, gefielen sich in der eifrigsten Beschäftigung mit den Lehren eines
Voltaire, Montesquieu, Rousseau, Diderot und der Enzyklopädisten.
Ii. Die Veranlassung zum Beginn der Revolution
wurde durch die Finanznot des Staates gegeben, welche die Re-
gierung nötigte, die Mitarbeit der Vertreter der Nation zur
Beseitigung des Staatsbankrotts in Anspruch zu nehmen. * 2
1) Die Salzsteuer verpflichtete jede über 7 Jahre alte Person, bei hohen Geld-
strafen, jährlich 7 Pfund Salz zu kaufen, das aber nicht zum Einsalzen verwendet
werden durfte, sondern verzehrt werden mußte.
2) Von den 90 Millionen des Heeresetats flössen 46 in die Taschen der Offiziere.