1873 -
Coblenz
: Baedeker
- Autor: Cremans, Hubert, Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
Der mittlere und untere Nillauf. §. 24.
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Stellen ein, unterscheidet sich aber von den Riesenströmen Asiens
(und Amerika’s) dadurch, dass er kein oceanischer Strom ist,
sondern, wie die grössten europäischen, in ein Binnenmeer mündet,
und dass er in seinem mittlern und besonders im untern Laufe
zu beiden Seiten mit zur Cultur unfähigen, aber auch gegen feind-
liche Einfälle schützenden Wüsten umgehen ist. Durch den Zu-
fluss des Astaboras (Tacazze oder Atbara) erhält er fast sämmtliche,
jedoch nur zur Regenzeit reichhaltige, Gewässer Aethiopiens und
kann, so verstärkt, die brennenden Sandwüsten überwinden, ohne
einen andern Zustrom in dem (200 M.) langen weitern Laufe bis
zu seiner Mündung aufzunehmen — in dieser Beziehung keinem
andern grossen Wassersysteme der Erde vergleichbar.
In dem vom Nil und dem Astaboras gebildeten Mesopotamien,
welches die Alten sich als Insel dachten, lag der Staat von Meroe,
den man mit Unrecht als die Wiege der ägyptischen Cultur angesehen
hat, da diese sich nach den neuesten Untersuchungen (von Lepsius)
nicht nilabwärts, sondern stromaufwärts (von Memphis aus) verbreitete.
Auch ist gerade das untere Nubien das „tempelreiche“.
Bei dem Eintritte in Aegypten durchbricht der Nil unter
schäumenden Katarakten einen sein Bett von Osten nach Westen
durchziehenden Querriegel von Granit, und nun erst schiffbar,
durchströmt er in majestätischer Ruhe und vorherrschend nörd-
licher Richtung, als ein fruchtbringendes Gewässer, eine einzige
(durchschnittlich 1 —2^2 M. breite) Felsenspalte zwischen den
öden Plateaux der libyschen und der arabischen Wüste.
Ehemals ergoss er sich in 7 Armen (der westlichste bei Canopus,
der östlichste bei Pelusium) ins Mittelmeer.
Das westliche (schräg ins Thal sich senkende) Plateau schützt, wie
ein platter, öder Damm, das Nilthal vor dem Flugsande der libyschen
Wüste, das östliche (steil emporsteigende) füllt den ganzen Landstrich
bis zum rothen Meere und lieferte in alten Zeiten das verschiedenartigste
Material zu den ägyptischen Bauwerken: meist gelbrölhlichen Granit
für die Obelisken, Kolosse (Götter-, Königs- und Widder-Statuen) und
Monolithentempel, Sandstein in verschiedenen Farben für die Tempel
und Paläste, und Kalkstein für die Pyramiden. Das von diesen beiden
kahlen Wällen eingeschlossene Thal (gleichsam eine langgestreckte Oase
mitten in der Wüste) verdankt seine Fruchtbarkeit den jährlichen Ueber-
schwemmungen des Nils (daher Aegypten „ein Geschenk des Nils!“).
Der Nil schwillt nämlich, in Folge der tropischen Regen in seinem
obern (und zum Theil noch in seinem miltlern) Laufe, im Sommer
langsam an (Ende Juni bis Ende September), überschwemmt hei seinem