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1. Quellenbuch für den Geschichtsunterricht in Seminaren - S. 14

1903 - Breslau : Hirt
- 14 — im Stich zu lassen, gilt als die größte Schmach. Solch ein Ehrloser darf keinem Opfer beiwohnen, keine Versammlung besuchen. Mancher, der den Krieg überlebte, hat seine Schande durch den Strang geendet. Unter den Göttern genießt Merknrius die größte Verehrung. Ihm selbst Menschen an bestimmten Tagen zu opfern, halten sie für ein frommes Recht. Den Herkules und Mars machen sie durch Tieropfer sich geneigt. Viele Germanen verehren die Nerthus, das ist die Mutter Erde. Von ihr glauben sie, daß sie in menschliche Angelegenheiten eingreife und die Völker besuche. Auf einer Insel des Ozeans ist ein heiliger Hain und in ihm ein geweihter Wagen, mit Tüchern überdeckt. Nur der Priester darf ihn anrühren; er merkt es, wenn die Göttin in ihrem Heiligtum gegenwärtig ist, und begleitet ihren von Kühen gezogenen Wagen mit tiefer Ehrfurcht. Dann gibt es frohe Tage, und festlich geschmückt sind alle Stätten, welche die Göttin immer ihres Besuchs und Aufenthalts würdigt. Sie führen dann keinen Krieg, greifen nicht zu den Waffen, verschlossen ruht alles Eisen; Friede und Ruhe sind nur dann ihnen bekannt, nur dann willkommen, bis die Göttin, satt des Umgangs mit den Sterblichen, von dem Priester in das Heiligtum zurückgeführt wird. Danach wird der Wagen, die Tücher und, wer es glauben will, die Gottheit selbst in einem geheimen See gewaschen. Den Dienst verrichten Sklaven, die sogleich derselbe See verschlingt. Die Germanen halten es der Größe der Götter nicht für angemessen, sie in Tempel einzuschließen oder mit menschlichem Antlitz darzustellen. Wälder und Haine weihen sie ihnen, und mit Götternamen rufen sie jenes geheimnisvolle Wesen an, das nur ihr anbetender Geist ahnt. Zeichendentuug und Los spielen bei keinem Volke eine größere Rolle. Einfach ist das Verfahren beim Losen. Ein Reis von einem Fruchtbaum schneiden sie in kleine Stücke, bezeichnen diese mit gewissen Zeichen und streuen sie dann ordnungslos aufs Geratewohl über ein weißes Tuch. Dann hebt bei öffentlicher Befragung der Priester, in Privatangelegenheiten das Haupt der Familie unter Anrufung der Götter, den Blick gen Himmel gerichtet, drei Stücke nacheinander auf und deutet die vorher darauf bemerkten Zeichen. Sind diese ungünstig, so wird an demselben Tage diese Sache nicht weiter beraten; lautet ihre Antwort günstig, so ist noch eine Beglaubigung durch Götterzeichen erforderlich. Und wirklich kennt man auch hier den Brauch, der Vögel Stimmen und Flug zu deuten. Eigen ist ihnen aber, Weissagung und Rat von den Rossen zu heischen, die in eben jenen Hainen und Wäldern unterhalten werden. Weiß sind sie von Farbe, kein irdischer Dienst hat sie je entweiht. Geschirrt an einen heiligen Wagen, werden sie von dem Priester und dem Könige oder Fürsten des Landes geleitet, die auf das Wiehern und Schnauben achten. Keine andere Weissagung hat mehr Glauben, nicht bloß bei dem Volke, sondern auch bei den Vornehmen und Priestern. Noch hat man eine andere Art, die Zukunst zu erforschen, durch die mau den Ausgang eines ernsten Krieges zu erraten sucht. Einen Kriegsgefangenen des Volkes, mit dem man im Streite liegt, lassen sie mit einem Äuserwählten aus ihren Genossen, jeden in den Waffen seines Landes, kämpfen. Der Sieg des einen oder des andern wird als Vorbedeutung für die Entscheidung angesehen.
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