1872 -
Coblenz
: Baedeker
- Autor: Pütz, Wilhelm, Cremans, Hubert
- Auflagennummer (WdK): 12
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Ludwig’s Xiv. Selbstregierung. Colbert. §. 16.
В. Frankreichs Uebergewicht in Europa während
Ludwig’s Xiv. Selbstregierung, 1661 —1715.
Ludwig’s Streben war zunächst auf unbeschränkte Selbst-
herrschaft im Innern gerichtet. Er regierte 54 J. ohne Reichs-
stände, wies jede Einmischung des Parlaments in Regierungs-
angelegenheiten entschieden zurück, liess die wichtigsten Aemter
(Premier-Minister, Connétable, Grossadmiral) unbesetzt, oder
theilte die mit ihnen verbundene Gewalt unter mehrere Personen,
meistens fügsame Werkzeuge seines Despotismus. Um das
Königthum mit dem seiner Bedeutung entsprechenden Glanze zu
umgeben und um seine Neigung zu prachtvollen Festen und
grossartigen Unternehmungen, sowohl kriegerischen (zur Befesti-
gung der noch ungünstigen Grenzen), als friedlichen (Ausbau
der Schlösser zu Versailles und Marly, Verschönerung von Paris),
zu befriedigen, bedurfte er vor Allem reicher Geldmittel. Daher
ernannte er den von Mazarin empfohlenen Colbert zum General-
controleur der Finanzen, welcher in der ersten Hälfte seiner
22jährigen Verwaltung (1661 —1683) an Einfluss und Macht
fast unbeschränkt war, wiewohl er dies dem auf Selbstregierung
sehr eifersüchtigen Könige sorgfältig verbarg. Alle wichtigen
Massregeln in der Verwaltung und Gesetzgebung gingen von ihm
aus. Seit dem Beginn des Krieges gegen Holland (1672) gewann
der Kriegsminister L ou vois (1669—1691) grossen Einfluss auf
alle inneren wie auf die auswärtigen Angelegenheiten, welcher
nach dem Tode seines Nebenbuhlers (1683) noch bedeutend stieg.
Colbert fand den Staatsschatz leer, die Einnahmen der zwei
nächsten Jahre bereits ausgegeben oder verpfändet und eine solche
Noth in allen Provinzen, dass eine Vermehrung der Auflagen un-
möglich war. Er begann die Reform des Finanzwesens theils
durch Beseitigung zahlreicher Missbrauche, theils durch Eröffnung
neuer Einnahmequellen. Den Handel wusste er zu beleben durch
Gründung von Handelsgesellschaften, Bau von Strassen und Canälen
(canal du midi). Sein Mercantilsystem (mit sehr hohen Schutz-
zöllen) hatte zwar eine Erweiterung der Industrie, aber auch einen
sehr nachtheiligen Einfluss auf andere Erwerbszweige (namentlich
den Acker- und Weinbau) zur Folge. Zugleich regte er bei dem
Könige den Gedanken an, den Ruhm eines Beschützers der Künste
und Wissenschaften zu verdienen und auch dadurch das Ueber-
gewicht Frankreichs in Europa zu begründen: die königliche Akademie
der Inschriften und Denkmünzen, die der Wissenschaften und die