1883 -
Hannover
: Helwing
- Autor: Hoffmeyer, Ludwig, Hering, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch, Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Volksschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Präparandenanstalt, Mittelschule, Volksschule
- Inhalt: Zeit: Mittelalter, Neuzeit
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Mittlere Geschich te.
berief er seinen Sohn Ludwig und die Großen seines Reiches nach
Aachen, stellte seinen Sohn als Mitregenten und Nachfolger in der Kaiser-
würde vor und bestimmte, daß sein Enkel Bernhard, Pipins Sohn,
unter Ludwigs Oberhoheit König von Italien werden solle. Nachdem
alle diese Anordnungen mit einstimmigem Zurufe gebilligt waren, ging
Karl in die Marienkirche, wohin ihm die ganze Versammlung folgte;
dort knieete er vor dem Hauptaltare, auf dem eine goldene Krone lag,
zu inbrünstigem Gebete nieder. Dann erhob er sich wieder und legte
seinem Sohne in einer ergreifenden Rede die Pflichten eines Regenten
ans Herz. „Willst du, mein Sohn," so fuhr er fort, „alle diese Pflichten
gewissenhaft erfüllen?" — „Ja, mit Gottes Hülfe!" war die Antwort.
„Wohlan denn, setze dir selbst die Krone auf, und stets möge sie dich
an dein Versprechen erinnern!" Darauf befahl er allen Anwesenden,
seinen Sohn von jetzt an Kaiser und Augustus zu nennen, und mit
Wehmut entließ er ihn wieder nach Aquitanien — er sah ihn nie wieder.
Bald darauf warf ihn ein hitziges Fieber auf das Krankenlager;
alle Heilmittel wollten nicht mehr helfen. Da beschäftigte er sich nur
noch mit dem Heile seiner Seele; zwei Tage vor seinem Tode erhielt er
das heilige Abendmahl. Mit der letzten Kraft erhob er seine Hände,
machte auf Stirn und Brust das Zeichen des heiligen Kreuzes, schloß
die Augen, sprach mit leiser Stimme: „Vater, in deine Hände befehle
ich meinen Geist!" — und verschied. — Noch an demselben Tage ward
814 er in der Gruft der Marienkirche zu Aachen beigesetzt.
Er saß im Grabe auf einem goldenen Throne in vollem Kaiserschmuck, auf bcm
Haupte die goldene Krone und ein Stück vom heiligen Kreuze; in der Hand hielt er
einen Kelch, an der Seite hing das Schwert, um die Huste die goldene Pilgertasche;
zu den Füßen lagen Scepter und Schild, auf den Knieen ein Evangelienbuch. Über
der Gruft errichtete man einen vergoldeten Bogen mit der Inschrift: „Hier unten liegt
der Leib Karls, des großen und rechtgläubigen Kaisers, der das Reich der Franken
herrlich vergrößert und 47 Jahre hindurch glücklich regiert hat. Er starb, ein 70jähriger
Greis, im Jahre des Herrn 8l4 am 28. Januar." — Jetzt ist die Grabstätte nur
noch an einer einfachen Marmorplatte kenntlich, welche die kurze Inschrift trägt:
Carolus Magnus.
3) Karls nächste Nachfolger.
Karls Sohn und Nachfolger Ludwig war sehr gutherzig, besaß
aber zu wenig Willenskraft, das große Reich zu regieren. Der Geist-
lichkeit gegenüber war er freigebig und lenksam, wofür er den Beinamen
der Fromme erhielt. Für die Mission nach dem skandinavischen
Norden hat er viel gewirkt; zur Stütze derselben ward das Erzbistum
Hamburg gegründet. Von hier aus brachte Ansgarius (Anschar),
der Apostel des Nordens, das Christentum nach Dänemark und Schweden.
Das Bistum Elze ward nach Hildesheim verlegt. Die von seinem Vater
gesammelten Heldenlieder ließ Ludwig als heidnisch verbrennen.
Anschar ward 83í der erste Erzbischof von Hamburg; als diese Stadt von nor-
männischen Seeräubern verwüstet wurde, rettete Anschar kaum sein Leben. Eine
fromme Frau schenkte ihm das Gut Ramelsloh, südlich von Hamburg; dort gründete
er ein Kloster. Als bald darauf der Bischof von Bremen starb, wurde dessen Bistum
mit dem Erzbistum Hamburg vereinigt, und Anschar nahm seinen Wohnsitz in Bremen.
(854.) Roch einmal trieb es ihn hinaus auf die Stätte seiner Missionsthätigkeit,