1883 -
Hannover
: Helwing
- Autor: Hoffmeyer, Ludwig, Hering, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch, Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten, Volksschule, Präparandenschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Präparandenanstalt, Mittelschule, Volksschule
- Inhalt: Zeit: Mittelalter, Neuzeit
28
Mittlere Geschichte.
war um so edler, weil Heinrich, Otto des Erlauchten Sohn, den König Konrad einst
in einer schweren Schlacht besiegt hatte. Eberhard that, wie ihm der königliche Bruder
riet, und noch jetzt zeigt man in Quedlinburg die Stelle, wo der Sachsenherzog beim
Vogelsang i die fränkischen Großen mit ihrer Botschaft empfangen haben soll. Zu
Fritzlar wurde hierauf Heinrich, ein Mann voll rüstiger Kraft, als König ausge-
rufen. Da trat der Erzbischof von Mainz herzu, ihn zu salben; aber der neue König
sprach: „Es ist mir genug, daß ich aus meinem Volke zuerst zur königlichen Würde
gelangt bin; euer Salböl hebt für Würdigere auf, für mich ist diese Ehre zu groß."
Doch nannte er sich „König von Gottes Gnaden." Anfangs wurde Heinrich nur
von den Franken und Sachsen anerkannt, durch Klugheit gewann er aber auch
die Schwaben, Bayern und Lothringer.
b. Die Magyaren; Heinrich als Städtegründer. In der ersten
Zeit seiner Regierung hatte Heinrich zum Glück Rühe vor äußeren Feinden,
namentlich vor den Magyaren. Diese gefährlichen Nachbarn hatten
seit dem Jahre 902 Deutschland beständig beunruhigt.
Gräßliches wurde von ihnen erzählt: sie sollen das Fleisch der Erschlagenen
verzehrt, ihr Blut getrunken, Menschen gebraten haben. In Gestalt und Sitte waren
sie den Hunnen ähnlich: gelb von Farbe, die Nase platt, die Augen klein und geschlitzt,
dem Ackerbau fremd, bekleidet mit Pelzen. Auch waren sie sehr geschickte Reiter und
ergossen sich in unermeßlichen Schwärmen über das deutsche Land. Ums Jahr 924
brachen sie mit erneuter Wut über das noch schwache Reich herein. Alles, was sie
antrafen, wurde verwüstet. Die Kirchen und Klöster, die Wohnungen des armen
Landmannes wurden verbrannt; alt und jung, Mann und Weib wurde erwürgt; an
den Rauchwolken und dem Feuerscheine am Himmel konnte man die Straße verfolgen,
welche die furchtbaren Feinde zogen.
Die Deutschen flüchteten sich vor ihnen in das Dickicht der Wälder,
auf die Spitzen der Berge und in verborgene Höhlen. Auch Heinrich
mußte vor ihnen in seiner Pfalz Werla hinter den Sümpfen der Ocker
Schutz suchen. Einst gelang es einem sächsischen Heerhaufen, einen
Magyarenfürsten gefangen zu nehmen und gefesselt vor Heinrich zu führen.
Die Ungarn gelobten ein hohes Lösegeld; aber Heinrich verlangte und
erhielt einen 9 jährigen Waffenstillstand; während dieser Zeit wollte er
alljährlich einen Tribut zahlen.
Diese 9 Jahre benutzte Heinrich, Deutschland gegen die Einfälle der
wilden Feinde wehrbar zu machen. Am besten konnte er ihre Reiter-
angriffe durch feste Plätze abweisen. Solche fehlten aber noch fast ganz
im innern Deutschland. Auch die Städte der Römer am Rheine und
an der Donau waren seit der Völkerwanderung und den Magyaren-
kriegen fast verfallen. Die Sachsen wohnten nach uralter Sitte auf ein-
zelnen Höfen, höchstens in offenen Dörfern. Nur die königlichen Pfalzen
und Bischofssitze waren notdürftig geschützt. Heinrich ließ an der Ost-
grenze Sachsens und Thüringens Burgen anlegen, um welche sich bald
mit Wall und Mauer geschützte Ortschaften erhoben. Tag und Nacht
war man mit der Erbauung derselben beschäftigt, und alle Anwohner
wurden zum Mitbauen gezwungen. Die Märkte, Gerichte und Volks-
versammlungen legte Heinrich ebenfalls in die Städte. So entstanden
Quedlinburg, Merseburg und Meißen. Heinrich heißt also mit
Recht der Stadtegründer. Aber die Deutschen liebten es nicht,
in diese „Städte" zu ziehen; sie sagten: „Die Städte sind nichts als 1
1 Davon hieß Heinrich auch der „Vogelsteller" und der „Finkler."