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1. Aus dem Altertum, dem Mittelalter und der Reformationszeit bis zum Dreißigjährigen Kriege - S. 40

1903 - Leipzig : Dürr
40 Die griechische Geschichte kratischer Pöbelherrschaft. Was Thukydides befürchtete, was Aristophanes in blutigem Hohn geißelte, was den Demosthenes machtlos machte, die Herrschaft des Proletariats in Athen, es war die Folge des „Freiheit" und „Gleichheit" fordernden Prinzips der Demokratie. Auf spartanische Heeresmacht gestützt, suchten zeitweilige Oligarchien in Athen ihre Sonderinteressen durch Gewaltmaßregeln, Rechtsbrüche und Justizmorde durchzusetzen, und in den folgenden Zeiten ward durch die Waffe des allgemeinen Stimmrechts der Kampf des Pöbels gegen die besitzenden Klassen, zwischen denen seit dem peloponnesischen Krieg so scharfe Gegensätze sich herausgebildet hatten, ausgenommen. Wer anders will, denn der große Hause, wird ins Gefängnis geworfen; in den Gerichten herrscht die Bestechlichkeit! Theramenes wird von den dreißig um gemeinen politischen Vorteils hingemordet, wie die Feldherren von den Arginusen, wie der von dem Wust des Staatslebens sich vornehm zurückhaltende Sokrates von dem souveränen Volk. Prozesse, ja Morde, um das Geld der Reichen zu bekommen, waren in den Zeiten, da die Demagogen der Leidenschaft ä la Kreon, da „Trunkenbolde und Ignoranten" in der Volksversammlung das große Wort führten, nichts Ungewöhnliches. Und diese innere Zerrüttung ward um so größer, als auch alle Bande der Sittlichkeit sich losten. Die Lehre der Sophistik hatte, wie sie anfangs ihrerseits nur der theoretische Ausdruck der damaligen Zeit gewesen war, das ganze Gefüge der Religion und Volkssittlichkeit zerfressend um sich gegriffen. Die Alkibiadesnatureu waren nicht mehr selten in Griechenland, und da, wer sich angeekelt fühlte, sich in philosophische Beschaulichkeit zurückzog und keine Gegenwehr versuchte, so sank das Niveau der Volkssittlichkeit immer tiefer. Die Wehrkraft verfiel; Söldnern vertraute man das Heil des Staates an, und selbstsüchtige, mit der Fremde paktierende Führer standen an der Spitze der athenischen Heere. Die Bürger des athenischen Staates selbst waren wasserscheu und mattherzig; nach Fest- und Theatergeldern schauten sie begehrlich aus. Kleinstädtische Vergnüglichkeit war das Gepräge athenischen Lebens; in Wohlleben, Vergnügungen, witzigen Gesprächen und frivolen Spöttereien gefiel sich der Nachkomme der marathonischen Freiheitskämpfer. Wohl hat die herbe und ernste Persönlichkeit des Demosthenes in den verengten Volkssinn die alten Ideale wieder zurückzurufen gesucht; wohl hat im Augenblick höchster Not Athen sich wiedergefunden als die Vorkämpferin griechischer Freiheit, und das läßt in dem Trauerakkord über Griechenlands Untergang doch ein erhebend-versöhnendes Gefühl mitklingen; aber die so lang andauernde Erschlaffung konnte nicht in einem Moment der Begeisterung ausgeglichen werden; die sittlichen Kräfte waren so weit verfallen, daß aus ihnen kein anhaltender Widerstand hervorgehen konnte.
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