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1. Mittelalter - S. 468

1911 - Kempten : Kösel
468 Die Jungfrau von )rlean. Vorsitz im Gerichtshof, der aus Theologen und Rechtsgelehrten zusammengesetzt mar, fhrte der Bischof Cauchon, neben ihm fungierte spter Lemaitre, der Vikar des Inquisitors von Frankreich. Elend und bleich, mit den Spuren der monatelangen, leidensvollen Gefangenschaft im unterirdischen Kerker erschien Johanna. Fnfundzwanzig Sitzungen brauchte der Gerichtshof allein zu dem Verhr der Jungfrau; durch zweideutige Fragestellung und pltzliche Zwischen-fragen suchte man sie in Widersprche zu verwickeln; aber ihr natrlicher Ver-stand, ihre schlichte Geradheit und strenge Wahrheitsliebe mieden alle diese Schlingen. Johanna blieb dabei, da sie eine Gesandte Gottes sei; sie mahnte ihre Nichter und besonders Cauchon mehrfach sich wohl vorzusehen und zu bedenken, was sie tten. Natrlich machte das keinen Eindruck. Das der das Verhr gefhrte Protokoll gab nur ein tendenzis zurechtgemachtes Bild und hatte namentlich die Antworten der Jungfrau durchweg in dem fr diese ungnstigsten Sinne gefat. Am 24. Mrz wurde es der Jungfrau, die man auch durch Androhung der Folter und den Anblick der Marterinstrumente zu schrecken versucht hatte, vorgelesen und von ihr als richtig anerkannt. Aus dem in mehr als zwanzig Verhren gewonnenen Material wurde nun die Anklage formuliert. In zwlf Artikeln zog sie die Summe des angeblich Erwiesenen. Nur die gegen Johanna sprechenden Momente waren von dem niedertrchtigen Cauchon darin aufgenommen. Johanna selbst bekam diese Schrift niemals zu sehen; sie konnte also auch nicht gegen die Flschung und Verdrehung ihrer Aussagen Einsprache erheben. Lange hatte ihr zarter Krper und ihre starke Seele der planmigen Qulerei ihrer Richter Widerstand geleistet, ihr Glaube an ihren Beruf blieb unerschttert, ebenso der an ihre Rettung. Aber schlielich drohte sie doch zu unterliegen; eine schwere Krankheit warf sie aufs Lager. Johanna genas jedoch wieder um ihr Martyrium bis zu Ende durchzumachen. Die von Cauchon geschmiedeten Anklageartikel wurden dem Domkapitel zu Rouen und der Pariser Universitt zur Begutachtung ber-sandt, freilich ohne die Protokolle und Akten, deren Inhalt sie angeblich wieder-gaben. Natrlich fllten die gelehrten Krperschaften einen verdammenden Spruch: die Anklage sei erwiesen; Jeanne Darc sei entweder eine Lgnerin oder eine Hexe, schuldig des Abfalls vom wahren Glauben, der Gotteslsterung, der Anrufung bser Geister und der Verleitung ihres Volkes zu Gtzendienst und Blutvergieen; wolle sie die ihr nachgewiesenen ketzerischen Irrtmer nicht abschwren, so sei sie dem Arm der weltlichen Gerichtsbarkeit zu berantworten. Aber wiederholte Ermahnungen ein offenes Gestndnis abzulegen und den himmlischen Ursprung ihrer Visionen und Stimmen nicht weiter zu behaupten blieben erfolglos. So wurde das Verfahren geschlossen; das Urteil sollte gesprochen werden; durch die Schrecken des Todes hoffte man der Heldin doch noch den gewnschten Widerruf abzupressen.
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