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1. Geschichtliches Lesebuch - S. 181

1909 - Hamburg : Boysen
— i8i — schlug, der konnte dafür Haus und Acker kaufen. In den Städten wurde nur noch wenig gearbeitet und nur um sehr hohes Geld. Denn wer einige alte Taler, Goldgulden oder anderes gutes Reichs-geld als Notpfennig in der Truhe lagern hatte — wie damals fast jedermann — der holte seinen Vorrat heraus und setzte ihn vergnügt in das neue Geld um. Aber es kam die Gegenströmung, da sehr bald alle Bedürfnisse teurer wurden. Zuerst klagten die, welche ihre Lebensausgaben von festem Gehalte bestreiten mußten, z. B. die Pfarrer und Lehrer. Wer sonst von 200 Gulden guten Reichsgeldes ehrlich gelebt hatte, der bekam jetzt 200 Gulden leichtes Geld, und wenn auch sein Gehalt erhöht wurde, er konnte selbst mit dem erhöhten Gehalte nicht die Hälfte, ja bald nicht den vierten Teil der notwendigsten Ausgaben bestreiten. Die Dienstboten wurden aufsätzig. Der Lohn von durchschnittlich zehn Gulden aufs Jahr reichte jetzt kaum hin, ihre Schuhe zu bezahlen. Die Kapitalisten, welche ihr Geld ausgeliehen hatten und von den Zinsen lebten, waren vor kurzem als wohlhabende Leute viel beneidet worden; jetzt reichten ihre Einnahmen kaum hin, ihr Leben zu erhalten. So entstand Unordnung überall; aber am meisten hatten natürlich die Bewohner der Städte unter der Entwertung des Geldes zu leiden, da der Bauer viel weniger mit Geld wirtschaftete und zum guten Teil unmittelbar von dem Ertrage seines Landes lebte. — Näherten sich die Heere einer Stadt, dann hörte der Verkehr mit der Landschaft fast ganz auf, dann wurden die Tore sorgfältig bewacht, die Bürger erhielten sich von den aufgesammelten Vorräten. Wenn ein Feind durch die Stadt zog, mußten große Summen bezahlt, mußte jegliche Schonung erkauft werden. Es war Gnade, wenn er nicht anzündete, den Stadtwald nicht niederschlug und verkaufte, nicht die Stadtbücherei auf seine Wagen warf. Alles, was zum Raube einlud, die Orgel, die Kirchenbilder, die Kirchenglocken, welch letztere nach Kriegsbrauch der Artillerie gehörten, mußte ausgelöst werden. Waren die Städte nicht imstande, den Forderungen der Kriegsobersten zu genügen, so wurden die angesehensten Bürger als Geiseln mitgeschleppt, bis die auferlegte Steuer bezahlt war. Diejenige Stadt, welche für fest genug galt, dem feindlichen Heere Widerstand zu leisten, wurde beim Herannahen des Feindes mit Flüchtlingen gefüllt. Die Zahl derselben stieg zuweilen so hoch, daß an ein Unterbringen bei längerer Dauer der Belagerung gar nicht zu denken war. In Dresden kamen einmal in drei Tagen 12 000 Wagen mit flüchtigem Landvolk an. Eine längere Belagerung hatte häufig Teuerung, einen schändlichen Wucher und Hungersnot zur Folge. Als in Nördlingen von den Belagerern ein Mauerturm eingenommen war und die Bürger selber ihn dann ausgebrannt hatten, stürzten sich hungernde Weiber über die halbgebratenen Leichname der Feinde und trugen Stücke derselben für ihre Kinder nach Hause.
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