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1. Geschichtliches Lesebuch - S. 113

1909 - Hamburg : Boysen
— 113 — dehntesten Gebrauch von den härtesten Strafen: Gütereinziehung, Einkerkerung, Deportation, Ersäufen und Enthaupten. Verrätern gegenüber, sagte man, ist alles erlaubt; ja verdienstlich. Der Jakobiner erklärte also seine Mordtaten für rechtsgültig und tötete zum Besten des Volkes. Er wurde grausam aus Menschenliebe. — Seit dem Jahre 1789 gründeten die Jakobiner überall in Frankreich politische Vereine, um den Gedanken von der Oberhoheit des Volkes zu verwirklichen. Mitte 1792 zählte man in Frankreich 1200 solcher Vereine, d. h. ebensoviel wie die Zahl der Städte und Flecken betrug. Nach dem Sturze des Thrones und dem Einfall der Österreicher und Preußen soll Frankreich gar 26000 solcher Vereine besessen haben, d. h. in jedem Orte einen, auch in jedem Dorfe. Einen Mittelpunkt besaßen alle die Vereine in der Gesellschaft der Verfassungsfreunde in Paris. Diese Gesellschaft war der älteste aller damals bestehenden politischen Vereine Frankreichs, da er schon am 30. April 1789 entstanden war. Kaum in Versailles angekommen, mieteten nämlich die Abgeordneten der Bretagne, die in ihren Ständeversammlungen in der Heimat die Notwendigkeit erkannt hatten, sich über ihre Abstimmung vorher zu einigen, einen Saal und begründeten in Gemeinschaft mit den Abgeordneten anderer Provinzen den genannten Verein. Bis zum 6. Oktober gehörten ihm nur Mitglieder der Volksvertretung an. Allein nach seiner Übersiedlung in die Bibliothek des Pariser Jakobinerklosters nahm er auch andere Leute auf, so daß die Anzahl der Vereinsgenossen bald mehr als 1000 betrug; darunter waren nur 2—300 Parlamentsmitglieder. Die Übersiedlung in das Jakobinerkloster war die Veranlassung, daß die Partei den Namen der Jakobiner erhielt. Die Verhandlungsgegenstände waren dieselben wie die der Nationalversammlung; in einem besonderen Saale wurden Vorträge über politische Fragen für Arbeiter gehalten. Diesen Verein, in welchem allmählich immer mehr die oben dargelegten Ansichten zur Geltung gelangten, nahm man sich in der Provinz zum Muster. Allenthalben begründete man ähnliche Vereine und entlehnte dem Pariser die Ziele, die Geschäftsordnung und den Geist. So wurde die hauptstädtische Vereinigung die Muttergesellschaft, und alle Klubs in der Provinz wurden ihre Kinder. Der Klub in Paris, der eine Zeitung herausgab, machte an der Spitze seines Blattes die Provinzvereine namhaft und unterstützte ihre Forderungen. Von da ab wußte jeder Jakobiner, selbst im entlegensten Flecken, daß er nicht nur von dem kleinen Klub, dem er angehörte, getragen und beschützt wurde, sondern auch von der großen Vereinigung, deren zahlreiche Zweige das ganze Land bedeckten. Hierfür dankbar, schenkte jeder Provinzklub dem von Paris ausgehenden Losungswort Gehorsam, und ein lebhafter Schriftenwechsel zwischen Haupt und Gliedmaßen erhielt das erzielte Einverständnis aufrecht. Das französische Jakobinertum bildete also ein gewaltiges politisches Werkzeug, eine Maschine mit vielen tausend Händen, die unter einem einzigen Antrieb alle gleichzeitig arbeiteten, und der Antrieb ging aus von Paris, von den wenigen Führern des Klubs im Jakobinerkloster. — Keineswegs bildeten jedoch die Jakobiner in Frankreich die Mehr- Stoll, Geschichtliches Lesebuch Ii. Teil
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