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1. Alte deutsche und mittlere allgemeine Geschichte bis Ende der Hohenstaufenzeit - S. 35

1878 - Leipzig : Klinkhardt
— 35 — der deutschen Miethtruppeu und ein tapferer, aber schlauer und gewalttätiger Mann war, die Herrschaft an sich zu reißen. Freilich machte er sich nicht selbst zum Kaiser, sondern er zog es vor, im Namen der Schattenkaiser zu herrschen, die er nach Belieben ein- und absetzte. Als er im Jahre 472 an der Pest starb und der letzte Kaiser, den er eingesetzt hatte, ihm bald ins Grab nachfolgte, stieg die Verwirrung aufs höchste, bis endlich (475) der ehrgeizige Feldherr Orestes einigermaßen Ordnung schaffte und seinen jungen Sohn Romulüs August ulus auf den Thron setzte. Aber die Herrlichkeit dauerte nicht lange; denn kaum ein Jahr später machte Odoaker, Anführer deutscher Hilfstruppen, dem Spiele schon ein Ende. Dieser Odoaker, ein Mann von riesenhafter Größe und von kräftigem Geiste, stammte aus Baiern, hatte aber schon in seiner Ju-genv mit mehreren Genossen, die gleich ihm ein abenteuerliches Leben liebten und ihr Glück in der Ferne suchen wollten, die Heimat verlassen. Unterwegs kehrten sie bei einem frommen Einsiedler ein, namens Severin, und als sie die Hütte betraten, mußte Odoaker sich tief bücken, weil die Thür so niedrig war. Als nun der Greis — so erzählt die Sage weiter — den hohen Jüngling sah, der einen schlechten Pelz um die kräftigen Glieder geschlagen hatte, da wurde er zur Weissagung begeistert und rief au«: „Zieh hin gen Italien, königlicher Jüngling, dort wird dein rauhes Vließ sich in Purpur und Gold verwandeln und vielen wirst du ein Herr sein!" — Odoaker zeichnete sich bald durch seine unwiderstehliche Tapferkeit aus, und es dauerte nicht lange, so war er Oberanführer aller deutschen Hilfsvölker und also, wenn auch nicht dem Namen, doch der That nach der Gebieter Roms. Als nun Orestes seinen Sohn mit dem Kaiserpurpur schmückte, verlangte Odoaker für sich und seine Deutschen den dritten Theil aller anbaufähigen Ländereien als freies Eigenthum. Orestes wollte dies nicht gewähren und konnte es auch wohl nicht, weil das Land ja seine rechtmäßigen Eigenthümer hatte und durch eine solche Ackeroertheilung große Unordnung und Unruhe entstehen mußte, und so brach zwischen ihm und dem mächtigen Odoaker Streit aus. Orestes wurde besiegt, gefangen genommen und dann hingerichtet. Odoaker zog als Sieger in Rom ein (476) und setzte den jungen Kaiser ab; doch that er dem harmlosen Jüngling kein Leid, sondern wies ihm ein Landgut in der Nähe Neapels und ein hinreichendes Gnadengehalt an. Odoaker verschmähte den Kaisertitel, nahm aber auf den Wunsch seiner Krieger den Titel eines Königs von Italien an. So sank das römische Weltreich, nachdem es über 1200 Jahre bestanden hatte, unter den Streichen der deutschen Krieger zu Boden. Der Untergang des ehemals so mächtigen Reiches mahnt uns an eine alte Wahrheit: Ein Reich kann nicht bestehen, wenn seine Bürger ohne Vaterlandsliebe, Tapferkeit und Frömmigkeit sind! 3*
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